Frankreich

Aktuelles aus der Normandie: Eindrücke von einem Besuch des Calvados im Februar 2019 (Beitrag wurde am 30.04.2019 um präparierte Fundstücke ergänzt!)

Im Februar war ich seit längerer Zeit einmal wieder für einige Tage in der Normandie zum Sammeln. In diesem Zuge besuchte ich einige der altbekannten Fundstellen. Über die von mir vorgefundene Situation an den unterschiedlichen Stationen der Tour möchte ich nachfolgend kurz berichten – der Bericht beginnt mit dem östlichsten der Aufschlüsse bei Hennequeville, von dort aus geht es Stück für Stück der Küste entlang nach Westen und schließlich ins Landesinnere südlich von Caen.

 

Trouville-Hennequeville

Trouville-Hennequeville liegt – wie alle anderen nachfolgend angesprochenen Küstenaufschlüsse auch – an der Côte Fleurie, nur wenige Kilometer östlich vom allseits bekannten Villers-sur-Mer (Falaises des Vaches Noires). Am Fundort steht der „Oolithe de Trouville“ an, der im mittleren Oxfordium zur Ablagerung gelangte. Etwa ab Hennequeville treten am Strand aus höher im Profil anstehenden Schichten stammende Kimmeridgium-Blöcke hinzu, die stellenweise ein Myophorellen-Pflaster enthalten. Allerdings besitzen die Myophorellen keine Schale mehr – meist sind nur Hohlformen überliefert. Die Kalke sind zwar fossilreich, ansehnliche, nicht abgerollte bzw. abgewitterte Stücke dennoch eher Mangelware. Ich konnte einige gute Turmschnecken aus der Superfamilie Nerineoidea bergen, ebenso gelang es mir viele Seeigel aufzusammeln, die aus den grusigen, weicheren Bereichen der anstehenden Wand herausschauten. Große Schneckensteinkerne wie ich sie bei meinem letzten Besuch des Fundorts im Jahr 2005 fand, konnte ich diesmal nicht entdecken. Bei Ebbe lagen auch Steinriegel frei, in denen Myophorellen-Pflaster (mit beschalten Individuen) anstehen. Allerdings ist das Material sehr hart – Bergung und Präparation gestalten sich dementsprechend schwierig. Zu finden sind an diesem Strandabschnitt Seeigel, Seeigelstacheln, Schnecken, Muscheln, Brachiopoden und ganz selten auch Ammoniten. Man sollte sich mindestens ein ganzes Ebbe-Intervall lang Zeit nehmen, um das Gestein genauer unter die Lupe zu nehmen. Genug Material zum Sondieren ist jedenfalls vorhanden.

 

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Abb. 1: An einem Ammoniten am Sandstrand hat sich ein Künstler „verewigt“ – jedenfalls solange bis die Brandung die Farbe wieder gänzlich heruntererodiert hat.

 

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Abb. 2: Blöcke aus dem Kimmeridgium am Strand.

 

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Abb. 3: Block mit Hohlformen von Myophorella.

 

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Abb. 4: Dieses große Pflaster mit Myophorellen in Hohlformerhaltung war zwar bei Weitem zu groß und zu schwer es zu bergen, aber allemal wert es zu fotografieren. So können sich auch andere Strandbesucher noch für ene Weile daran erfreuen.

 

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Abb. 5: Gastropode im Anschliff. Hier kommt jede Rettung zu spät, dennoch weisen einem am Strand derartige Anschliffe mitunter den Weg zu interessanteren Funden, die zu bergen es sich lohnt. Man kann sich jedenfalls anhand von Anschliffen damit vertraut machen, welche Fossilien das jeweilige Gestein enthält.

 

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Abb. 6 (links): Schneckensteinkern.

Abb. 7 (rechts): Seeigel der Gattung Nucleolites in anstehendem Ooolithgestein.

 

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Abb. 8: Anstehendes. Im grauen Bereich an der Basis des Kliffs sind die Seeigel „zuhause“.

 

Blonville-sur-Mer und Benerville-sur-Mer

Nur wenige Kilometer weiter westlich kann am Strand zwischen Blonville-sur-Mer und Benerville-sur-Mer bei Ebbe in Blöcken eines ehemaligen Riffs gesucht werden. Diese Blöcke gelangten als Rutschmassen vom nahen Mont Canisy an den Strand. Sie gehören nicht ins Kimmeridgium, wie bei HÄGELE (2004) angegeben, sondern werden mittlerweile dem mittleren Oxfordium zugerechnet. Früher konnten hier auch dunkelgraue Mergel aus dem unteren Oxfordium studiert werden, die inzwischen aus Gründen des Küstenschutzes teilweise mit großen Blöcken verbaut wurden und somit kaum noch zugänglich sind.

 

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Abb. 9: Die Verbauung der Oxfordium-Tone zwischen Blonville-sur-Mer und Benerville-sur-Mer verhindert zwar recht effizient die Erosion durch das Meer, kann die durch anhaltenden Regen in Bewegung kommenden Rutschmassen von oben auf ihrem Weg zum Meer aber auch nicht vollkommen verhindern.

 

Die Küstenbefestigung kann das weitere Verrutschen auch nicht gänzlich aufhalten, wie man anhand von Abb 9 sehen kann. Die Schuttblöcke vom Mont Canisy bestehen aus z. T. sehr großen Korallenstöcken oder enthalten jedenfalls Reste von Korallen. Ebenso können Gastropodensteinkerne, Muscheln, Brachiopoden, Gehäuseplatten und Stacheln von Seeigeln sowie selten auch ganze Seeigelkoronen entdeckt werden. Eine Seeigelcorona vom Fundort habe ich unlängst im Steinkernheft Nr. 37 vorgestellt (LANG 2019). Um ehrlich zu sein, konnte ich bei diesem Besuch jedoch kein einziges sammlungswürdiges Fossil finden. Das sah 2005 noch ganz anders aus, damals lagen oberhalb des Gezeitenbereichs noch viele weichere Blöcke, die interessantes Material lieferten. Vieles was sich unterhalb im Gezeitenbereich befindet ist leider bereits mehr oder weniger abgerollt. HÄGELE 2004 erwähnte hinsichtlich dieser Fundstelle, dass in den nur bei Ebbe zugänglichen stark oolithischen Steinriegeln viele Seeigel der Gattung Nucleolites scutatus zu finden seien. Ich kam leider bei diesem Besuch der Lokalität nicht dazu dieses nachzuprüfen. Von Land aus ist die Fundstelle leider nicht zugänglich (Privatgrundstücke), so dass man auf Niedrigwasser angewiesen ist, um an die Korallenschuttblöcke und auf die Schichtflächen im Gezeitenbereich zu gelangen.

 

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Abb. 10: Blöcke im Gezeitenbereich. Der Blick geht nach Westen.

 

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Abb. 11: Seeigelstacheln.

 

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Abb. 12: Korallenstock.

 

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Abb. 13 und 14: Viele Gerölle sind entweder schon veralgt oder die darin enthaltenen Fossilien vom Sand abgeschliffen. Die links eingeblendete Schnecke zeigt exemplarisch, wie viele der Fossilien aussehen, die länger der Brandung ausgesetzt waren. Es fehlt schon zuviel, als dass sie noch bergungswürdig wären. Die Kunst ist es, Fossilien zu entdecken, die noch kaum erodiert und somit schwerer zu erkennen sind.

 

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Abb. 15: Noch mehr Korallenblöcke vom Riff des Mont Canisy.

 

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Abb. 16: Schneckensteinkern, um den herum sich gut der Hohlraum erkennen lässt, der ursprünglich von der Schale der Schnecke eingenommen wurde. Dank der Fuge lassen sich die Schnecken mitunter gut aus dem Gestein herausklopfen. Oft sind sie aber zu brüchig oder zu schlecht erhalten, dass es sich lohnen würde.

 

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Abb. 17: Ansehnlicher, noch nicht abgerollter Korallenstock am Strand zwischen Blonville-sur-Mer und Benerville-sur-Mer.

 

Villers-sur-Mer
Zu einer richtigen Calvados-Tour gehört nahezu obligatorisch auch ein Besuch der Küste zwischen Villers-sur-Mer und Houlgate. Über die Lokalität gibt es bereits einige ausführliche Berichte auf Steinkern.de, insbesondere auch im Steinkern-Forum sowie auch in der Steinkern-Zeitschrift (dort u. a. SIMONSEN 2010, STUDER & MIKULETZ 2016), so dass ich gleich zum Punkt komme. Gefunden habe ich an den Vaches Noires das übliche Fossilspektrum: ein paar Cardioceraten, einige Euaspidoceraten sowie Muscheln etc. Ein kleiner Reptilzahn aus den Mergeln war mein einziger eher außergewöhnlicher Fund. Zu erwähnen ist noch, dass im Februar bei Ebbe stellenweise die Callovium-Tone freilagen. Ich konnte beim Darüberlaufen zwar keine Fossilien entdecken, allerdings waren vor mir bereits französische Sammler dort gewesen und hatten bereits alles gründlich abgesucht.

 

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Abb. 18: Größere Niederschlagsmengen führten im Winter zu frischen Hangrutschungen an den Vaches Noires, die langsam aber sicher Nachschub an Fossilien bis hinunter an den Strand transportieren. Erst wenn das Meer den zähen Schlamm abtransportiert und saubere Hartsteinbänke hinterlässt, lassen sich die Fossilien erkennen.

 

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Abb. 19: Cardioceras in Fundlage. Dieses Stück dürfte sich aus dem mergeligen Oolithgestein gut freistrahlen lassen.

 

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Abb. 20: Die Klippen der Steilküste der Vaches Noires waren im Februar stellenweise umrahmt von Schlammströmen.

 

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Abb. 21: Cardioceras neben einer Hahnenkammauster (Actinostreon marshi).

 

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Abb. 22: Strandbereich mit Geröllstreifen. Hier lassen sich immer wieder einmal interessante Stücke finden.

 

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Abb. 23: Ein schöner Ammonit der Familie Cardioceratidae mit relativ breitem Windungsquerschnitt.

 

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Abb. 24: Callovium-Tone auf der Küste vorgelagerten Schichtflächen kurz vor Villers-sur-Mer. Die Sandbedeckung in diesem Bereich schwankt von Tide zu Tide, man weiß nie was einen am nächsten Tag erwartet und überhaupt Tonflächen frei werden oder alles von Sand bedeckt ist. Das Callovium ist an den Vaches Noires stellenweise sehr fossilreich. STUDER & MIKULETZ 2016 & MIKULETZ 2016 berichteten im Steinkernheft Nr. 25 über schöne Funde, die ihnen zu einem Zeitpunkt gelangen als die Schichtflächen sehr gut aufgeschlossen waren.

 

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Abb. 25: Reptilzahn aus den Tonhängen an den Klippen.

 

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Abb. 26: Kiste mit einigen der Funde von den Falaises des Vaches Noires aus dem Februar 2019. Euaspidoceraten prägen das Bild.

 

Suche nach Baustellen südlich von Caen

Am letzten Tag der Tour habe ich im Hinterland von Caen nach Baustellen Ausschau gehalten, leider jedoch ohne Erfolg. Die wenigen Baustellen, die ich entdeckte, lieferten entweder nur fossilleeres Gestein oder waren nicht zugänglich.
Zu erwähnen ist eine Baustelle in der Ortschaft Feuguerolles-Bully (neben dem bekannten, leider nicht mehr für Sammler zugänglichen Steinbruch), wo innerhalb des Ortes ein kleines Baugebiet erschlossen wird. Leider war alles mit einem Bauzaun umschlossen. Das Baugebiet könnte eventuell in passenden Schichten liegen, wer also sowieso ins Calvados fährt, könnte einen Abstecher hierher wagen und müsste sich dann gegebenenfalls wochentags um eine Begehungserlaubnis bemühen, um Zutritt zum Gelände zu erhalten. Ein Bericht im Steinkern-Forum wäre im Erfolgsfall wünschenswert, damit auch andere Sammler eine Chance erhalten sich auf die Suche zu begeben.
Ein kurzer Halt an der Deponie an der N 158 bei Hubert-Folie erbrachte die Erkenntnis, das ganz hinten links (vom Eingangstor aus betrachtet) noch ein wenig des berühmten Évrecy-Aushubs lagert. Hier könnte man noch den einen oder anderen Grabungsversuch starten - ansonsten „nix Neues aus der Normandie“.

 

Nachtrag vom 30. April 2019:

Mittlerweile habe ich einige Stücke von der Februar-Exkursion präparieren können. Die beiden großen Euaspidoceraten (18 bzw. 23 cm) hatten zunächst gut ausgesehen, es zeigten sich dann aber leider viele Fehlstellen außen und es erwies sich, dass sie nicht bis in Zentrum laufen. Dafür sind die drei kleineren Euaspidoceraten ganz gut geworden. Von den Cardioceraten sind die meisten, wie sich schon im Fundzustand andeutete, ebenfalls gut bis sehr gut erhalten. Von den Pecten hab ich sowieso nur erkennbar gute Exemplare mitgenommen. Die Vorpräparation der Stücke aus Villers-sur-Mer erfolgte mit diversen Sticheln. Die Fossiloberfläche wurde danach durch Strahlen mit Eisenpulver freigelegt. Zum Schluss habe ich die Stücke mit Zaponlack eingelassen.

Die Abbildungen 27 bis 34 zeigen meine schönsten fertig präparierten Stücke von den Falaises des Vaches Noires.

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Abb. 27: Euaspidoceras sp., Oxfordium, Villers-sur-Mer.

 

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Abb. 28: Euaspidoceras sp., Oxfordium, Villers-sur-Mer.

 

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Abb. 29: Euaspidoceras sp., Oxfordium, Villers-sur-Mer.

 

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Abb. 30: Cardioceras sp. mit Serpelbewuchs, Oxfordium, Villers-sur-Mer.

 

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Abb. 31: Cardioceras sp., Oxfordium, Villers-sur-Mer.

 

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Abb. 32: Cardioceras sp., Oxfordium, Villers-sur-Mer.

 

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Abb. 33: Cardioceras sp., Oxfordium, Villers-sur-Mer.

 

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Abb. 34: Pectinide Muschel, Oxfordium, Villers-sur-Mer.


Die Stücke aus Trouville (Abb. 35-39) habe ich hingegen hauptsächlich gestichelt und nur wenig gestrahlt, da die Schale hier sonst sehr schnell "abgeschmirgelt" wirkt. Hier musste ich deutlich mehr Funde aussortieren (vor allem bei den Gastropoden) weil Fossil und Gestein einfach nicht trennen wollten.

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Abb. 35: Nucleolites cf. scutatus, Trouville-Hennequeville.

 

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Abb. 36: Stufe mit Schnecke aus der Superfamilie Nerineoidea und  Muschel der Gattung Trigonastarte, Trouville-Hennequeville.

 

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Abb. 37: Nerineoidea, Trouville-Hennequeville.

 

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Abb. 38: Schnecke der Superfamilie Cerithioidea, Trouville-Hennequeville.

 

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Abb. 39: Trigonastarte sp., Trouville-Hennequeville.

 

Bei Exkursionen in den Jahren 2004 und 2005 war meine Fundausbeute aus dem Calvados bei weitem besser. Dennoch, rentiert hat sich der Besuch der Normandie aus meiner Sicht weiterhin, wenn mir auch diesmal nicht der ganz große Fund gelang. Der erhoffte größere Peltoceras wollte sich (noch) nicht finden lassen - vielleicht ein anderes Mal?

Körper, Geist und Seele konnten sich mal wieder bei schönstem Wetter erholen und Kraft tanken. Was will man mehr?

Schöne Zeit!
Fritz Lang

 

 

Literatur:


HÄGELE, G. (2004): Strandfunde aus dem Oberen Jura der Normandie, in: FOSSILIEN, 2/04, S. 107–112.

 

LANG, F. (2019): Unverhofft kommt oft: Über einen erst zu Hause entdeckten Hemicidaris aus Bénerville-sur-Mer (Calvados), in: Der Steinkern, Heft 37, S. 8-11.

 

SIMONSEN, S. (2010): Fossilien aus dem Oxfordium der Falaises des Vaches Noires, in: Der Steinkern, Heft 5, S. 58–67.

 

STUDER, S. & MIKULETZ, J. (2016): Neue Funde aus dem Callovium der Vaches Noires im Februar 2016, in: Der Steinkern, Heft 26, S. 28–31.

 

 


 

Diskussion zum Bericht im Steinkern.de Forum:

https://forum.steinkern.de/viewtopic.php?f=3&t=27816