“Felix“ - ein zweiter Hummer aus dem Oligozän vom Lybystrand (Dänemark)

Liebe Steinkerne,

im April 2013 hatte ich auf Steinkern.de unter dem Titel Highlight eines Decapoden-Sammlers: „Andrea“, ein Hummer vom Lybystrand über einen Fund berichtet, der mir 2012 an der inzwischen weltberühmt gewordenenen oligozänen Fundstelle Lybystrand in Dänemark im Limfjordgebiet geglückt war. Dieser Hummer hat inzwischen den Danekrae-Status (Danekrae Nr. 709) erhalten. An dieser Stelle soll nun über einen neuen Fund berichtet werden, der Michael Kick bei einer gemeinsamen Exkursion glückte.

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Abb. 1: Der Fundort – ein wildes Küstenkliff mit oberoligozänem Glimmerton-Aufschluss.


Selbst Funde einzelner Scheren von Hummern stellen im Oligozän von Lybystrand echte  Seltenheiten dar. Nahezu komplette Exemplare sind wahre Raritäten. Trotzdessen  waren keine vier Jahre nach dem letzten Fund vergangen, da gelang nach dem Sturmtief „Felix“ im Januar 2015 meinem langjährigen Sammlerfreund Michael Kick bei einer gemeinsamen Exkursion ein weiterer Fund eines – wie wir zunächst vermuteten – Scherenfragments eines Hummers. Das Sturmtief Felix sorgte zu dieser Zeit für einen ungewöhnlich hohen Wasserstand, wobei auch die Geodenlage im Kliff  stellenweise ausgespült worden war. Noch an der Fundstelle , schaute ich durch das vorsichtige Anheben einer  natürlichen Fuge in die Konkretion hinein und konnte tatsächlich das Rostrum und Carapaxteile eines Hummers entdecken.

 

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Abb. 1: Der glückliche Finder Michael Kick mit dem frisch geborgenen Fund in seinen Händen.


Voller Vorfreude ging es dann mit dem besagten Stück in die Werkstatt.

 

2 Fundzustand
Abb. 2: Die Geode habe ich in einer Schale geöffnet. Die Schale diente dazu, zu verhindern, dass einzelne kleinere Splitter der Konkretion abhanden kommen.


Da die etwas größeren Geoden meist mit Haarrissen durchsetzt sind und irgendwann im Verlaufe der Trocknung unweigerlich auseinanderfallen, sollte man sie – wie in diesem Fall - entlang der Trennfugen ganz vorsichtig auseinandernehmen und so zunächst Gestalt und Lage enthaltener Fossilien ermitteln. Danach muss die Konkretion wieder mühsam zusammengesetzt werden. Beim vorliegenden Stück standen sehr viele Transferierungsarbeiten an, da die Fossilien meist in verschiedenen Ebenen auseinander reißen.
Der Blick ins Innere verriet mir, dass wir es hier  wie schon 2012 erneut mit einem nahezu kompletten Hummer zu tun hatten. Die Freude war groß, hofften wir doch auf einen weiteren Danekrae-Anwärter. Bis dies zur Debatte stand, sollte aber noch sehr viel Zeit vergehen, denn die Präparation war sehr schwierig und langwierig und der erste Schritt bestand darin, die Geode in einer Positiv- und einer Negativhälfte wieder zusammenzusetzen.

 

3 Klebungen
Abb. 3: Positiv und Negativ werden wieder zusammengepuzzelt.


Nach diesem Schritt folgte die Transferierung der einzelnen Carapaxsegmente aus der „Deckelseite“ in die Gesteinshälfte, die den größten Teil des Hummers beinhaltete:

 

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Abb. 4: Der Deckel - Ansicht der zu transferierenden Teilbereiche.

 


Anschließend ging es an die Freilegung des Carapax. Bei diesem Schritt wurde mir klar, dass der Abdomenbereich Fehlstellen aufwies. Positiv fiel dagegen auf, dass Teile des Schwanzfächers erhalten waren.

 

5 Carapax Freilegung
Abb. 5


Es folgte nun die Transferierung von Armsegmenten (Carpus/Femur) aus dem Deckel der Konkretion auf das Positiv:

 

6 Scherenarm transferieren

Abb. 6


Als nächstes wurden die jeweiligen Beinsegmente übertragen:

 

7 Transferieren

Abb. 7

 

Danach kam die obere Knackschere an die Reihe. Sie lag komplett auf der verkehrten Seite. Das hatte aber auch wiederum einen Vorteil, denn dadurch, dass ich die Scheren komplett frei präparieren musste, ergab sich die willkommene Gelegenheit zu einer 3D-Darstellung des Fossils.

 

8 Transferieren2
Abb. 8

Jetzt waren fast alle Teile von der oberen Hälfte der Konkretion in die untere übertragen worden; es folgte die Freilegung der Beinsegmente:

 

9 Freilegung der Beinsegmenteschleifarbeiten

Abb. 9

 

Nun wurde die den Hummer umgebende Matrix feingeschliffen, damit dieser besser zur Geltung kommen konnte. Danach galt es noch die Scheren auf die Positivseite zu transferieren:

 

10 Transferierung des Scherenarms

Abb. 10

 

Nach der Feinarbeit an den Klebenähten  war die Präparation beendet. Das Ergebnis ist zunächst in geschlossener Ansicht zu sehen:

 

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Abb. 11

 

Und hier in der geöffneten Ansicht:

 

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Abb. 12

 

Angaben zum Fossil im Überblick:

Hummer Homarus sp.
Paläogen/oberes Oligozän, ca. 26 Millionen Jahre alt
Durchmessser der Konkretion: ca 17 cm.
Lybystrand/Dänemark  

 

Die Abbildungen 13 und 14 zeigen noch einmal den fertig präparierten Hummer.

 

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Abb. 13

 

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Abb. 14

 

Danekrae - ja oder nein?

 

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Abb 15: Am 4. Dezember 2015 war es dann endlich soweit. Das Foto zeigt die Übergabe des Hummers an eine dänische Delegation aus Kopenhagen; von links nach rechts: Peter Mortensen, Sten Lennart Jacobsen (Chef der Präparastionsabteilung, Geologisches Museum), den Autor und Mette Hofstedt (Geologische Forschungsassistentin). Auf dem Tisch ist die verschlossene Konkretion zu sehen.

 

Wir, natürlich ganz besonders mein Freund Michael, waren guter Dinge, da die Aussichten nach Einschätzung von Herrn Jacobsen doch sehr viel versprechend waren. Die Danekrae-Kommission traf im April 2016 in Kopenhagen zusammen, es wurde jedoch beschlossen, den Fund nicht als Danekrae zu deklarieren. Die Begründung lag darin, dass der Hummer die besagten Fehlstellen im Abdomenbereich aufwies und dass mit meinen Erstfund aus dem Jahr 2012 ein bereits nahezu komplettes Exemplar als Danekrae eingetragen worden war.
Zunächst waren wir ein wenig enttäuscht, danach aber dennoch irgendwie ein wenig froh, denn Michael hat seinen Hummer inzwischen zurück erhalten und darf ihn ganz offiziell sein  Eigen nennen. Somit befindet sich das Fossil nun in seiner eigenen Sammlung - ein echtes Highlight eines jeden Decapodensammlers. Bislang sind mir jedenfalls nur die beiden genannten nahezu kompletten Hummerfunde aus dem oberen Oligozän von Lybystrand bekannt.
Zum Danekrae Gesetz haben die Steinkerne Solveig und Karsten Witteck vor einiger Zeit für den Wiener Standard einen Artikel verfasst, der unter dem folgenden Link abgerufen werden kann und die Vorzüge dieses Systems aufzeigt:
http://derstandard.at/1334796509287/Der-Steinkern-Danekrae-Geschuetzte-daenische-Geschoepfe
Das Votum der Danekrae-Kommission in diesem Fall zeigt uns somit auch, dass ganz besondere Funde vom hohen Wert nicht unbedingt und zwangsläufig abgegeben werden müssen. Es empfiehlt sich jedoch unbedingt diese zu melden, um der Expertenkommission die Gelegenheit zur Einschätzung zu geben. Nur sie kann letztendlich festlegen, ob ein solcher Fund ein „Danekrae“ ist oder nicht.
Wir sind nach wie vor Befürworter dieser hervorragenden Regelung und dürfen somit auch weiterhin auf das Außergewöhnliche hoffen!

Michael und ich bedanken uns für Euer Interesse!

 

axel micha

Abb. 16: Der Autor und Präparator (links) und der Finder mit dem Hummer. Foto: Sönke Simonsen

 

Weitere Fossilien, darunter seltene Decapoden gibt es auf der Homepage www.fossilcrabsandmore.de zu entdecken. Diese neue Website wird immer wieder einmal aktualisiert, reinschauen lohnt sich also...

 

Axel Cordes für Steinkern.de, alle Rechte beim Autor.