Sandstrahlen und Physik

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Abb. 1: Strahlkabine und Strahlgerät in der Werkstatt eines Fossiliensammlers.

 

Über das „richtige“ Strahlmittel wird in Fossiliensammler-Foren heftig diskutiert. Was von einem Kollegen als „einzig wahres“ Strahlmittel angesehen wird, versagt bei anderen Kollegen manchmal völlig - jeder hat da so seine eigenen Erfahrungen und schwört auf sein Strahlmittel.

Ausprobiert wird alles Mögliche – von Mehl über Calcit weiter zu Eisenpulver und am Ende Korund. Uppss… jetzt habe ich die Strahlmittel automatisch nach ihrer Mohs-Härte angeordnet.

Aber das ist häufig genau die Denkweise, nach der das Strahlmittel ausgesucht wird. Es wird vermutet: Je härter ein Strahlmittel ist, desto abrasiver ist es und desto mehr kann das Fossil beschädigt werden.

Irgendwie passt das so halbwegs mit den Erfahrungen der meisten Kollegen zusammen – aber eben nur halbwegs. Es gibt genügend Kollegen, die z.B. mit Korund (Mohs-Härte 9) bei manchen Substraten tolle Ergebnisse erzielen, aber mit „weicherem“ Strahlmittel schlecht zurechtkommen. Dabei sollte Korund auf Grund seiner Härte alle Fossilien wegrasieren und überhaupt nicht geeignet sein. Ich arbeite auch nicht mit Korund, aber das hat mehr mit der Standfestigkeit der Düsen und Schläuche zu tun.

Es lohnt sich meiner Ansicht nach, sich etwas mit der Physik des Sandstrahlens zu beschäftigen.

 

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Abb. 2: Strahlgriffel und Eisenpulver in einer Strahlkabine.

 

Was passiert beim Sandstrahlen?
Beim Druckstrahlen wird das Strahlmittel mithilfe von Düsen durch flüssige oder gasförmige Trägermittel gefördert und beschleunigt. Dabei wird Arbeit aufgenommen, die beim Aufprall des Strahlmittels auf die Substratoberfläche in Form von kinetischer Energie wieder abgegeben wird. Die abgegebene Energie erzeugt im Substrat Mikrorisse und das Substrat platzt ab. Bei vorgegebener Einschlagenergie entstehen bestenfalls nur im Substrat, nicht aber im Fossil Risse. Nicht die Härte von Fossil und Substrat sind entscheidend, sondern deren elastische Eigenschaften / Sprödigkeit.

 

Einfluss von Korngröße, Masse und Geschwindigkeit:
Die kinetische Energie eines Strahlmittel-Teilchens Ek ist direkt proportional zur Masse m des Teilchens (kg) und zum Quadrat der Geschwindigkeit v (m/s).

Aufprallenergie

Was bedeutet das praktisch?

Verdoppelt man die Masse eines Strahlmittel-Korns, verdoppelt man die "Aufprallenergie" auf das Substrat.

Verwendet man bei gleicher Korngröße anstelle von Glas (Dichte 2,5g/cm³) zum Beispiel Eisenpulver (Dichte 7,8g/cm³) als Strahlmaterial, erhält man etwa die dreifache „Aufprallenergie“.

Doppelte Teilchengeschwindigkeit an der Düse (durch höherer Druck) bedeutet viermal so viel „Aufprallenergie“. Nichts neues: Über den Düsendruck kann das Strahlverhalten massiv beeinflusst werden.

Verdoppelt sich die Korngröße (Durchmesser), verachtfacht sich die Masse des Teilchens; ein einzelnes Teilchen besitzt dann die achtfache Aufprallenergie! Mir zumindest war dieser Effekt nicht so bewusst. Kein Wunder, wenn dann sowohl Substrat als auch Fossil angegriffen werden.

Mit doppelter Korngröße verringert sich allerdings auch die „Bedeckungsdichte“ – das ist die Zahl der Körner, die eine bestimmte Fläche pro Zeiteinheit trifft: Verdoppelt sich die Korngröße, nimmt die Zahl der Körner, die auf das Substrat treffen, um den Faktor acht ab. Der Aufprall des Strahlmittels erfolgt achtmal so heftig, aber achtmal weniger Körner pro Zeiteinheit schlagen ein. Die Krater werden tiefer, die Oberfläche rauer.

Einfluss der Mohs-Härte auf die Strahlwirkung:
Trifft ein „weiches“ Strahlmittel auf ein „hartes“ Substrat, deformiert sich das Strahlmittelkorn – die kinetische Aufprallenergie wird nur zum Teil auf das Substrat übertragen und es werden weniger Risse erzeugt. Ein hartes Strahlmittel deformiert sich beim Aufprall weniger und überträgt mehr Energie auf das Substrat. Insoweit macht die Auswahl des Strahlmittels nach der Mohs-Härte halbwegs Sinn. Bei gleicher Korngröße und gleichem Korngewicht sollten sich Strahlmittel mit hoher Mohs-Härte aggressiver verhalten weil die übertragene Aufprallenergie höher ist.
Dies erklärt, wieso manche Eisensorten trotz gleicher Korngröße unterschiedliches Verhalten beim Strahlen zeigen. Reines Eisen ist relativ weich und duktil – beim Aufprall wird das Strahlmittelkorn verformt. Eisen mit hohem Kohlenstoffanteil (oder gar Eisenlegierungen) ist viel härter, deformiert sich beim Aufprall weniger und überträgt mehr Aufprallenergie.
Auch das Strahlmittel leidet unter dem Aufprall und auch dort können Risse erzeugt werden. Das kann so weit gehen, dass das Strahlmittel beim Aufprall regelrecht zerplatzt (und entsprechend wenig Energie übertragen wird). Die Korngröße nimmt ab und das Strahlmittel verhält sich bei erneutem Einsatz deutlich weniger aggressiv. Duktile (deformierbare) Strahlmittel können länger wiederverwendet werden.

 

Rauigkeit des Korns:
Kantiges Strahlmaterial ist aggressiver als rundes Material. Trifft Strahlmaterial mit der Kante auf das Substrat auf, wird die Aufschlagsenergie auf eine kleinere Fläche übertragen und die Schlagwirkung ist intensiver – es werden mehr Risse (auch im Fossil) erzeugt.

 

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Abb. 3: Die Rippen dieses schalenerhaltenen Ammoniten (Coroniceras sp.) aus dem Unteren Jura von Lyme Regis (Dorset, England) wurden bereits partiell mit Eisenpulver aus einem Kalkstein freigestrahlt. Die Überstände müssen nun zunächst mit dem Druckluftstichel oder drehendem Werkzeug nivelliert werden, um in angemessenem zeitlichem Rahmen die Präparation mit dem Strahler fortführen zu können.

 

Einfluss des Strahlwinkels:
Trifft das Strahlmittels senkrecht auf das Substrat werden durch die Aufprallenergie Risse erzeugt; das Substrat platzt ab. Trifft das Strahlmittel sehr schräg auf das Substrat, wird das Substrat eher abgeschliffen. Die Abtragsleistung scheint für duktiles Substrat und sprödes Substrat abhängig vom Strahlwinkel zu sein. Sprödes Material wird unter einem Strahlwinkel von 90° am effektivsten abgetragen (also wenn man die Strahldüse senkrecht draufhält) – duktiles Material wird am besten unter einem Strahlwinkel von etwa 20° abgetragen (schräg strahlen).
Auch hier werden primär Risse erzeugt, aber die Physik dahinter scheint noch komplexer (und für mich noch undurchsichtiger zu sein). Da habe ich bisher noch nichts für mich Verständliches gefunden – da muss ich kapitulieren!
Wie man sieht, ist die Physik des Sandstrahlens sehr komplex; da gibt es sicher noch eine ganze Reihe von weiteren Einflussgrößen. Zumindest wird es hoffentlich verständlicher, wieso man unter Kollegen so schön über das richtige Strahlmittel streiten kann.

Vergleicht man die Wirkung von Strahlmitteln vergisst man nur zu leicht, dass man dabei eine ganze Reihe von Parametern wie Korngröße, Masse, Deformierbarkeit, Auftreffgeschwindigkeit, Kornrauigkeit etc. verändert hat.

Letztendlich muss doch jeder für sich an seinem Gerät das richtige Strahlmittel mit den richtigen Einstellungen selber austesten - da hilft einem die Physik nur bedingt.

Viel Spaß beim Strahlen


Thomas Bastelberger