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Regierungsentwurf des "Kulturgutschutzgesetzes" wartet mit massiven Verschärfungen auf

kulturgutschutzgesetz

 

Das Bundeskabinett hat am 4. 11. den Regierungsentwurf des Kulturgutschutzgesetzes verabschiedet. Damit nimmt das von seinen Schöpfern sorgfältig getarnte Trojanische Pferd mit dem wohlklingenden Namen "Kulturgutschutzgesetz" seinen Weg in den Bundestag. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Enteignungsgesetz im Bundestag als solches erkannt und entlarvt wird. Es wird weder dem privaten Sammeln, noch den Naturwissenschaften, noch dem Handel gerecht. Das Gesetz würde in seiner jetzigen Form Verheerungen für das kulturelle Leben in Deutschland anrichten, wie es sie in der Historie der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat - man muss geschichtlich etwas weiter zurückdenken, um Entsprechungen zu finden.

 

Der Inhalt des Gesetzestextes hat sich gegenüber dem Referentenentwurf vom 14.09.2015 stellenweise nochmals extrem verschärft. Kein Verband wurde zur Sachgerechtigkeit dieser erst nach dem Regierungsbeschluss bekannt gewordenen ungeahnten Verschärfungen befragt.

 

Wer ein "Kulturgut" ohne Ausfuhrgenehmigung oder geeignete Unterlagen aus dem Ausland nach Deutschland einführt, dem drohen (unabhängig vom Recht des Herkunftsstaates) in Deutschland nun nicht nur die Beschlagnahme, sondern darüber hinaus auch noch bis zu 100 000 Euro Bußgeld, wenn er keine Ausfuhrgenehmigung oder andere geeignete Unterlagen zum Beweis der Legalität bei der Einfuhr vorlegen kann. Das gilt einheitlich für vom Islamischen Staat raubgegrabene und von kriminellen Banden nach Europa gebrachte Kulturgüter, wie für ein von einem Privatsammler oder Wissenschaftler im Ausland gekauftes oder ein im Urlaub selbst gefundenes Fossil. (Wo soll man sich denn bitte die Ausfuhr für letzteres genehmigen lassen?)

 

Dies ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 9 in Verbindung mit § 30 mit dem massiv verschärften und ausgedehnten § 84:

 

Zitat aus § 2 Abs. 1 Nr. 9 (Regierungsentwurf):

„Kulturgut“ [ist]  jede  bewegliche  Sache  oder  Sachgesamtheit von  künstlerischem,  geschichtlichem  oder  archäologischem Wert oder aus anderen Bereichen des  kulturellen  Erbes, insbesondere  von  paläontologischem,  ethnographischem,  numismatischem oder wissenschaftlichem Wert"

Zitat aus § 30 (Regierungsentwurf):

"Wer Kulturgut einführt, hat geeignete Unterlagen mitzuführen, mit denen die rechtmäßige
Einfuhr nachgewiesen werden kann. Geeignete Unterlagen sind insbesondere
Ausfuhrgenehmigungen des Herkunftsstaates, sofern sie nach dem Recht des jeweiligen
Herkunftsstaates erforderlich sind."

Zitat aus § 84 Abs. 2 Nr. 1 (Regierungsentwurf):

"Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 30 Satz 1 eine dort genannte Unterlage nicht mitführt[...].

Zitat aus § 84 Abs. 2 Nr. 3 (Regierungsentwurf):

"Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 bis 4 mit
einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro, in den übrigen Fällen mit einer Geldbuße bis
zu hunderttausend Euro geahndet werden."

 

Der Referentenentwurf vom 14.09. sah die Behandlung als Ordnungswidrigkeit nur für die Einfuhr archäologischer Objekte vor, für andere Objekte galt "nur" die Möglichkeit der Sicherstellung (Beschlagnahme) durch die Behörden. Schon dies verkannte den Gedanken, dass insbesondere Naturobjekte (schon gar keine Eigenfunde von Fossilien) und geringwertige Kulturgüter in der Regel nicht von "geeigneten Unterlagen" (was ist eigentlich eine geeignete Unterlage?) oder gar Ausfuhrgenehmigungen begleitet werden. Es existieren nach meiner Kenntnis in keinem der zirka 200 Staaten der Welt Behörden, die willens und in der Lage wären für geringwertige Objekte entsprechende Genehmigungen auszustellen. Die Frage was "geeignete Papiere" sein sollen, bleibt somit offen und schafft Unsicherheit.

Eine solche Regelung erweist sich als hochgefährlich, denn die enthaltene Beweislastumkehr illegalisiert de facto den Privatbesitz von Kulturgut (einschließlich Naturgut). In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Legalität des Besitzes nicht beweisen lässt, wird objektiv eine Willkürgesetzgebung geschaffen, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands in meinen Augen unvereinbar ist.

Wenn das Genehmigungserfordernis im Ministerium wirklich für realistisch einhaltbar gehalten wird (schöne Grüße in den Elfenbeinturm - und nicht vergessen, der Besitz von Elfenbein ist - vollkommen zu Recht schon seit Längerem problematisch!), dann sei hier darauf verwiesen, dass dies ein folgenschwerer Irrtum ist:

 

Es ist im naturwissenschaftlichen Bereich für jährlich eingeführte (und z.T. auch wieder ausgeführte, Messehandel) Millionen von Objekten nicht realistisch - die Beweislastumkehr ist hier kein praktikables Mittel! Kehrt man die Beweislast um, so können gegen jeden Sammler, gegen jeden Wissenschaftler und gegen  jeden der auf Messen im Ausland oder über das Internet Kulturgut erwirbt und nach Deutschland einführt, Geldbußen verhängt werden. Und zwar nicht, weil er gegen ausländisches Recht verstößt, sondern weil er ein rein deutsches Formerfordernis ("geeignete Unterlagen oder Ausfuhrgenehmigung nach § 30") bei der Einfuhr nicht einhält.

Woher sollen die Genehmigungen und Unterlagen kommen? Wie ist es mit hunderten von selbst gefunden Fossilien, die man an einer Küste vor der Erosion oder in einem Steinbruch vor Zerstörung gerettet hat? Ist es realistisch, dass alle rund 200 Staaten der Welt ausschließlich für deutsche Touristen und Händler künftig Genehmigungsbehörden einrichten?

 

Wenn dieses Gesetz ohne weitere Einschränkung von Definitionen wie "paläontologischer Wert" oder "wissenschaftlicher Wert" bzw. "geeignete Unterlagen" unverändert in Kraft tritt, ist dies nicht weniger als die staatlich verodnete Beschränkung des Kulturlebens in Deutschland auf das was sich heute im Bestand befindet. Internationaler Zustrom kann nur noch erfolgen, wo sich Genehmigungsverfahren wirtschaftlich gestalten lassen (hochwertige Objekte). Die Alternative dazu ist, dass das Gesetz weitgehend unangewendet bleibt, alles weiter läuft wie bisher, und nur einzelne Sammler, Händler und Wissenschaftler zu den von der Exekutive willkürlich ausgewählten Opfern dieser Gesetzgebung werden.

 

Bevor das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz nach seinem Inkrafttreten wegen seiner grundgesetzwidrigen (Freiheit der Kunst, Forschung und Wissenschaft, Freiheit der Berufswahl, Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit uvm.) und seiner Europarechtswidrigkeit (Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34-36 AEUV) für nichtig erklären muss, sollte die Bevölkerung, unterstützt durch die Medien auf den Bundestag einwirken, damit hier deutlich herausgearbeitet wird, wes Geistes Kind der Entwurf von Kulturstaatsministerin Kunsthistorikerin Monika Grütters und Ihrem Amtsleiter Günter Winands ist. Günter Winands und Monika Grütters sind übrigens beide in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als 1. und 2. Vorsitzende tätig, was ein Schlaglicht auf die eindimensionale archäologielastige Vorprägung der beiden Urheber des Gesetzes wirft.

 

Das Kulturgutschutzgesetz muss grundlegend neu verhandelt und auf nationales Kulturgut beschränkt werden. Eine Ausdehnung des Begriffs des nationalen Kulturguts auf alle geowissenschaftlichen Sammelobjekte ist nicht hilfreich - hier muss eine Reduzierung auf die optionale Eintragung als "national wertvolles Kulturgut", die durchaus wünschenswert sein kann, her. Die Anforderungen in der Arbeit (invasive Methoden, Leihverkehr) sind andere als im Umgang mit archäologischen Objekten und müssen berücksichtigt werden.

 

Das Zustandekommen des Regierungsentwurfs war zuhöchst undemokratisch. An der schon 2014 begonnenen schriftlichen Evaluation wurden nach allgemeinem Kenntnisstand keine naturwissenschaftlichen Verbände beteiligt. Nun zeigt sich, wie bitter notwendig dieses gewesen wäre. Das Ministerium hat dieses Versäumnis bislang nicht eingestanden.

Die in einem nur knapp zweistündigen Gespräch am 8.10.2015 von einzelnen Vertretern der Paläontologie über den bereits "in Stein gemeißelten" Entwurf vom 14.09.2015 mit wenigen Tagen Vorlaufzeit erarbeitete und dennoch recht umfassende Kritik einiger Vertreter der Paläontologie wurde von Amtsleiter Winands freundlich, jedoch fachlich in keiner Weise überzeugend in den Wind geschlagen, wie sich am Regierungsentwurf zeigt.

 

Auf schriftliche Äußerungen von Sammlern und Wissenschaftlern, die direkt an das Ministerium geschickt wurden, erfolgten (soweit ich davon weiß) außer Empfangsbestätigungen keine Reaktionen. Auf Abgeordnetenwatch vermeldete die Ministerin Frau Grütters hingegen vollmundig öffentlich, man stehe "in Kontakt". Kontakt ist jedoch keine Einbahnstraße, Inhaltliche Rückmeldungen aus dem Ministerium auf unsere sachlichen Hinweise gab es auch hinter den Kulissen ausdrücklich nicht.

Von den drängenden inhaltlichen Fragen wurde keine einzige inhaltlich beantwortet:

http://www.abgeordnetenwatch.de/monika_gruetters-778-78148--f444279.html#q444279

In Anbetracht des schließlich am 4.11. veröffentlichten und nochmals verschärften Regierungsentwurfes ist dies ein untragbares Verhalten gegenüber den Bürgern.

 

Aufruf!

Es gilt jetzt flächendeckend Aufklärungsarbeit zu leisten, damit die deutsche Naturwissenschaft und eine jahrhunderte alte bürgerliche Sammelkultur durch eine allzu radikale und verfehlte Gesetzgebung nicht flächendeckend illegalisiert werden. Der Gesetzesentwurf steht in Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands und darf auf keinen Fall in der jetzigen Form vom deutschen Bundestag beschlossen werden. Es ist eine historische Panne, dass das Kabinett dieses Pamphlet des Ministeriums als Regierungsvorlage geadelt hat und vermutlich darauf zurückzuführen, dass hier die (negative) Tragweite des Gesetzes nicht bekannt ist.

 

Jeder Bürger, ob Wissenschaftler, Händler, Sammler oder freiheitsliebender Mensch, sollte sich mit allen Mitteln, die der Rechtstaat bietet, dagegen verwahren, dass die Bürger weiter dermaßen missachtet und ihre Rechte mit Füßen getreten bzw. gegen Null reduziert werden.

 

Es geht hier um nicht weniger als die Frage, in welchem Land wir leben möchten.

 

 

Was kann man tun?

Es wird nicht reichen nur eine Stimme bei der Petition Für den Erhalt des privaten Sammelns abzugeben. Es muss mehr getan werden, denn das Gesetzesvorhaben soll zügig besiegelt werden und die Regierungsmehrheit ist gigantisch:

 

1) Sprecht mit Euren regionalen Bundestagsabgeordneten über das Thema und vereinbart dazu Gesprächstermine! Dies muss flächendeckend geschehen, nur dann kann es auf die Entscheidungsfindung im Bundestag wirken.

2) Kontaktiert speziell die Mitglieder des Kulturausschusses und konfrontiert sie mit Euren Fragen und Befürchtungen https://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a22/mitglieder/260744.

3) Kontaktiert regionale und überregionale Medien in der Angelegenheit. Schreibt Leserbriefe an Zeitungen (und Kommentare auf Websites) im Hinblick auf Artikel, die sich mit dem Kulturgutschutzgesetz befassen und warnt vor den dramatischen Folgen des Gesetzes für die Paläontologie und Geowissenschaften im Speziellen und das Sammeln im Allgemeinen!

4) Sammelt Unterschriften für die Petition "Für den Erhalt des Sammelns". Dazu gibt es vorbereitete Bögen, die man hier hochladen kann. Bezieht Familie, Freunde, Verwandte und Bekannte ein! Nutzt zur Verbreitung des Themas bitte auch die Möglichkeiten der "Social Media".

 

Nur gemeinsam können wir es schaffen, die Fehlentwicklung zu stoppen.

Wir lassen uns unsere Hobbies und Berufe nicht verbieten und lehnen Gesetze ab, die es ermöglichen unser rechtmäßiges Eigentum zu beschlagnahmen. Wir wollen nicht vom Kultusministerium unterschiedslos wie Finanziers des internationalen Terrorismus behandelt werden! Die Beschneidung selbstverständlicher Bürgerrechte mit der "Terrorismuskeule" muss ein Ende finden.

 

Die Notwendigkeit für einen wirksamen Kultur- und Naturgutschutz steht bei alledem außer Zweifel. Jedoch muss dieser Schutz sachgerecht und differenziert erfolgen. Zu sachgerechten Regelungen kann man nur kommen, wenn man die Bürger und Wissenschaftler (also die Kulturgutschützer selbst) einbezieht, ausreichend zwischen unterschiedlichen Objektkategorien (paläontologische Objekte vs. archäologische Objekte) differenziert, die Besonderheiten der unterschiedlichen Wissenschaften und die individuellen Beschäftigungsformen der Bürger damit hinreichend würdigt usw. All dies ist bisher nicht geschehen und es ist vielleicht auch zu ambitioniert dies in einem einheitlichen Gesetz "erschlagen zu wollen". Dies kann der kulturellen Vielfalt und der Vielfalt dessen was die Natur dem Menschen an Schätzen bietet, kaum gerecht werden, insbesondere dann nicht, wenn man alle Regelungen vollkommen uferlos in den Bereich wissenschaftlich und monetär geringwertiger Objekte ausdehnt.

Unterbleiben Änderungen, wird der Wissenschafts- und Handelsstandort Deutschland massiv geschwächt und die Lebensqualität von Millionen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes erheblich beeinträchtigt.

 

Ein klares Bekenntnis von Staatsministerin Monika Grütters zur Paläontologie gibt es bislang nicht, wie man Abgeordnetenwatch.de entnehmen kann:

http://www.abgeordnetenwatch.de/monika_gruetters-778-78148--f445373.html#q445373

http://www.abgeordnetenwatch.de/monika_gruetters-778-78148--f445469.html#q445469

http://www.abgeordnetenwatch.de/monika_gruetters-778-78148--f445378.html#q445378

http://www.abgeordnetenwatch.de/monika_gruetters-778-78148--f445664.html#q445664

 

Sönke Simonsen