Private Sammlungen

Die Fossiliensammlung von Gustav Rheingans

1995, als ich mich langsam für Fossilien zu begeistern begann, stand im Lokalteil unserer Tageszeitung - der Neuen Westfälischen - ein Artikel "Dinosaurier in Jöllenbeck" über den Fossiliensammler Gustav Rheingans und seine Funde. Nun, damals waren meine Eltern und ich dem nicht näher nachgegangen, haben aber den Artikel ausgeschnitten und aufbewahrt. Als ich neulich auf der Suche nach einer Publikation des Naturwissenschaftlichen Vereins Bielefeld war, fiel mir auf einmal wieder der Artikel über den inzwischen 81-jährigen Hobby-Paläontologen und gelernten Schlosser Gustav Rheingans in die Hände.

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Zeitungsausriss und Auslöser für diesen Bericht, Neue Westfälische, Oktober 1995

Auf die darauf folgende Kontaktaufnahme reagierte Gustav Rheingans mit einer freundlichen Einladung, so dass meine Eltern und ich nun endlich einmal die Sammlung unseres Jöllenbecker Sammlerkollegen, der jedoch seit etwa 10 Jahren nicht mehr aktiv sammelt, anschauen konnten.

Die Sammlung von Herrn Rheingans, die er über einen Zeitraum von gut 20 Jahren gemeinsam mit seinem Sohn zusammengetragen hat, umfasst sowohl zahlreiche Lokalfunde - schwerpunktmäßig hierbei Funde aus dem Lias (speziell dem Oberpliensbach) von Bielefeld und heteromorphe Ammoniten aus dem Teutoburger Wald, als auch  - unter anderem! - Stücke aus Frankreich (Pariser Becken und Calvados). Neben den  (natürlich komplett selbst gefundenen) Fossilien, hat sich im Laufe der Zeit auch eine schöne Mineraliensammlung ergeben, weil viele Fossilfundpunkte am Rande auch Sammelmöglichkeiten für Mineralien bieten (Mineraliensammler mögen das genau anders herum sehen :-) ).

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Der 81-jährige Gustav Rheingans vor Teilen seiner Sammlung.
Das große Euaspidoceras im Hintergrund kann auf einem der nachfolgenden Bilder aus der Nähe betrachtet werden.

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Nach Fundorten sortiert: oben befinden sich Unterpliensbachammoniten aus dem Calvados, unten links heteromorphe Ammoniten aus der heimischen Oberkreide und rechts kreidezeitliche Seeigel, die von der Ostsee oder aus dem Teutoburger Wald stammen.

Funde aus dem Jura des Calvados
Ein bedeutender Teil der Sammlung setzt sich aus Funden aus dem Unteren Jura (Lias) des Calvados, also der Region um die nordfranzösische Stadt Caen, zusammen. Die meisten Stücke sind aus dem Unterpliensbach des Steinbruches Fresney-le-Puceux (vorwiegend Acanthopleuroceras, viel seltener Lytoceras, Liparoceras und Tragophylloceras), der meines Wissens inzwischen, seit dort vor einigen Jahren ein Sammler tödlich verunglückt ist, nicht mehr für "normale" Sammler zugänglich ist. Nur sehr wenige französische Sammler verfügen über Genehmigungen. Schade, da so viele tolle Funde, aus zumindest in Deutschland selten erschlossenen Schichten, im Verborgenen bleiben. Immerhin belegen die nachfolgenden Bilder, was uns entgeht. Zu bedenken ist aber auch, dass es mit Feuguerolles-sur-Orne immerhin eine gute Fundstelle für das Toarcium in der Region Caen gibt. Auch Baustellen im Süden von Caen können Fossilien liefern - und die gibt es immer wieder, da in der Peripherie von Caen viel gebaut wird.
Weitere Sammlungsstücke stammen z.B. von der bekannten Küstenfundstelle zwischen Ste. Honorine des Pertes und Port-en-Bassin (Dogger) sowie den "Falaises des vaches noires" (Dogger, Malm).

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Die bereits vom obigen Zeitungsartikel bekannte große Stufe aus dem Unterpliensbach von Fresney-le-Puceux in Farbe.

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Teilweise wunderschön calzitisierte Ammoniten aus dem Lias (genauer: Unterpliensbach) von Fresney-le-Puceux bei Caen (Calvados). Auf der Stufe in der linken Hälfte des Vordergrundes sitzt der begehrte Zonenleitammonit Tragophylloceras ibex. Bei den anderen Ammoniten handelt es sich um Acanthopleuroceraten.

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Das bereits auf der Abbildung darüber gezeigte Acanthopleuroceras noch einmal aus der Nähe. Eine beinahe einmalige Calziterhaltung, wie man sie für diese Ammonitengattung wohl fast nur aus Fresney kennt.

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Große Brocken aus dem Calvados - links ein Lytoceras cf. jurense, rechts ein Lytoceras fimbriatum.

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Ein weiteres Exemplar von Acanthopleuroceras aus Fresney mit einem Durchmesser von etwa 8 cm.

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Bei der hauptsächlich auf Fossilien ausgelegten Sammeltätigkeit haben sich, wie bereits eingangs erwähnt, auch beachtlich viele Mineralien angesammelt. Dazwischen noch eines der tollen Exemplare von Acanthopleuroceras aus Fresney-le-Puceux.

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Ein großes Euaspidoceras aus dem Malm von den "Falaises des vaches noires" zwischen Houlgate und Viller-sur-mer.

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Eine schöne Schnecke aus dem Braunjura (Dogger) von der Küstenfundstelle Ste. Honorine des Pertes (Normandie).

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Ein buntes Gemisch: Die beige-braune Schnecke links stammt ebenfalls aus Ste. Honorine, während die Pleuroceraten - wie sollte es anders sein -aus dem fränkischen Jura kommen, die Schlotheimia aus der Mitte ist ein Fund aus Bielefeld und die zwei hübschen Turmschnecken kommen aus dem Pariser Becken.

Pariser Becken
Viele kleinere liebevoll in Schachteln und Kästen einsortierte Schnecken und Muscheln der Sammlung Rheingans stammen aus den vergleichsweise jungen Ablagerungen des Pariser Beckens.

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Liebevoll sortierte kleine Muscheln und Schnecken aus dem Pariser Becken.

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Weitere Schnecken aus dem Pariser Becken.

Lokalfunde aus dem Großraum Bielefeld
Ein weiterer großer Teil der Sammlung setzt sich aus Funden aus Bielefeld und seiner Umgebung zusammen, wie einleitend bereits erwähnt, liegt ein besonderer Schwerpunkt auf den Funden des Oberpliensbachs (Domerium) von Bielefeld. Gustav Rheingans kann jedoch auch viele entrollte Ammoniten sein eigen nennen, wie die nachfolgenden Bilder belegen.

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Ein heteromorpher Ammonit (Hyphantoceras) aus der Oberkreide des Teutoburger Waldes, dahinter ein Ammonit, der aus Porta Westfalica stammt.

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Ein Scaphites aus der Oberkreide des Teutoburger Waldes, umgeben von kreidezeitlichen Seeigeln aus der selben Fundgegend.

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Einige heteromorphe Ammoniten der Art Hyphantoceras reussianum, natürlich aus dem Teutoburger Wald.

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Ein echtes Prachtstück der Sammlung - wunderbar präpariert - ist dieser Hyphantoceras reussianum. Beeindruckend ist diese Präparation erst recht vor dem Hintergrund, dass ohne Druckluftstichel und Sandstrahlgerät gearbeitet wurde. Lediglich ein Vibrograph diente als Hilfsmittel, ansonsten wurde mit Hammer und Meißel bzw. schabend gearbeitet.

rg14.jpgIm Vordergrund sind einige Pflanzenfossilien zu sehen, dahinter Belemniten und Amaltheen aus dem Oberpliensbach von Bielefeld.

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Dieser große Fischsaurierwirbel ist eines der seltensten und damit beachtlichsten Stücke der Sammlung - er stammt aus dem Oberpliensbach von Bielefeld-Jöllenbeck. Für den Titel des Zeitungsartikels von 1995 ("Dinosaurier in Jöllenbeck") war dieser Wirbel im Übrigen der Anlass.

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Ein 3-4 cm großer Amaltheus in einer Tonsteingeode aus dem Oberpliensbach von Bielefeld.

Funde aus Franken, Schwaben und der Eifel
Zu den zahlreichen Exkursionszielen, die Gustav Rheingans im Laufe seiner Sammellaufbahn ansteuerte gehörten neben Frankreich und der Umgebung Bielefelds auch Franken und Schwaben, sowie die Eifel. Die folgenden Bilder zeigen einige prägnante Funde von diesen Exkursionen.

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Die weißschaligen Ammoniten sind Pleuroceras spinatum aus Unterstürmig, während der Promicroceras planicosta auf Matrix (linke untere Bildhälfte) aus England und der große Cardioceras rechts unten aus Frankreich ("Falaises des vaches noires") stammt.

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Weitere Ammoniten der Gattung Pleuroceras, unverkennbar aus Unterstürmig.

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Unschwer zu erkennen - es befinden sich auch Stücke aus dem Schwäbischen Jura in der Sammlung von Gustav Rheingans. Rechts unten ein Lytoceras, links unten ein Belemnit aus Holzmaden und oben ein Arietites sp.

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Bei seinen zahlreichen Exkursionen besuchte Gustav Rheingans natürlich auch die Eifel, von wo auch diese große Brachiopode (Spiriferina) stammt.

Freilich hat die Sammlung noch einiges mehr zu bieten - ich hoffe dennoch mit diesem Bericht einen kleinen Eindruck von dem, was es zu sehen gibt, vermittelt zu haben.

Abschließend möchte ich Gustav Rheingans nochmals herzlich für seine Einladung und die Erlaubnis für den vorliegenden Bericht danken. Für mich war die Sammlungsbesichtigung mit Hinblick auf die Funde aus dem heimischen Oberpliensbach hochinteressant. Ich kann mich nicht erinnern schon mal einen solch großen Wirbel von dort gesehen zu haben, ein echtes Prachtstück, wie viele andere Funde auch.

Fotos und Bericht: Sönke Simonsen