Kurioses und Humor

Die Geologie des Planeten Mars

Was hat denn dieses Thema mit unserer Fossilien-Community zu tun? Das werden sich nun bestimmt einige Leser fragen. Im Laufe dieses Berichtes werde ich versuchen, genau diese Frage zu beantworten und dabei Einblicke in ein aktuelles und sehr spannendes Forschungsthema zu geben.

Der Planet Mars ist der äußere Nachbar der Erde und gilt wegen seiner Größe, seines felsigen Aufbaus und der vorhandenen dünnen Atmosphäre als der erdähnlichste Planet unseres Sonnensystems. Aufgrund dieser Ähnlichkeit und der Nähe zur Erde ist er schon immer von besonderer Bedeutung für die Wissenschaft gewesen. Seit Beginn des Raumfahrtzeitalters ist der Planet daher eines der Hauptziele für Forschungssonden, was dazu geführt hat, dass heute mehr Datenmaterial über den Mars existiert, als über unseren eigenen Mond.

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Bild 1: Der Planet Mars aus dem Weltraum betrachtet. Zu erkennen sind die charakteristischen Oberflächenmerkmale, wie das Vallis Marineris – Canyonsystem in der Mitte des Bildes, die Hochflächen der südlichen Halbkugel, die flachen, sandigen Ebenen der nördlichen Halbkugel und zwei große Vulkane oben links. [Quelle: NASA]

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde viel darüber spekuliert, ob der Mars von einer – meist feindseligen – Zivilisation bewohnt wird, die nur darauf wartet, eine Invasion der Erde zu starten. Die Bilder der ersten Raumsonden zeigten aber, dass der Mars eher den unbewohnten Teilen unserer Wüsten ähnelt, mit allen Extremen, die dazugehören. Von einer Zivilisation oder anderen Anzeichen von Leben gab es keine Spur. Erst in den 90er Jahren erlebte die Erforschung des Mars dank moderner, leistungsfähiger Forschungssonden eine Renaissance. Je genauer die Auflösung der Fotos wurde, desto mehr äußerst interessante geologische Details kamen zum Vorschein. So wurden Formationen entdeckt, die an ausgetrocknete Flussläufe und alte Küstenlinien erinnern, es wurden Hinweise für Permafrost entdeckt sowie gigantische Gletscher an den Polen. Diese Gletscher sind derart umfangreich, dass sie in Falle des Abschmelzens den gesamten Planeten zehn Meter tief unter Wasser setzen würden.

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Bild 2: Die nördliche Polkappe mit ihren Gletschern. Diese bestehen aus gefrorenem Stickstoff und Wassereis. In Wechsel der Jahreszeiten kommt es zu einem regelmäßigen Abschmelzen und erneuten Anwachsen der Gletscher [Quelle: NASA]

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Bild 3: Eine Struktur auf der nördlichen Halbkugel, die sehr stark an einen ausgetrockneten Flusslauf erinnert. Eine eindeutige Entstehungsursache konnte noch nicht gefunden werden, doch deutet vieles darauf hin, dass sie von fließendem Wasser erzeugt wurde. Von solchen Strukturen wurden mittlerweile sehr viele in unterschiedlichsten Größen entdeckt. [Quelle: NASA]

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Bild 4: Erodierte Landschaft mit geschichtetem Gesteinsaufbau. Der Bildausschnitt umfasst ein Gebiet von etwa 1,7 mal 3 Kilometern und stammt von einer Forschungssonde auf der Marsumlaufbahn. Das Bild könnte auch auf der Erde entstanden sein, denn auch hier existieren sehr ähnliche Formationen. [Quelle: NASA]

Diese neuen Erkenntnisse waren schließlich die Motivation zum Bau von Landerobotern, welche mit kleinen Fahrzeugen ausgestattet wurden, um Exkursionen auf der Marsoberfläche zu ermöglichen und die dortigen Gesteine näher zu untersuchen. Die heimliche Hoffnung vieler Wissenschaftler war es, dass einer dieser "Feldforscher" auf direkte Anzeichen von ehemaligen Gewässern stoßen könnte, sprich: Auf Sedimentgesteine, welche eindeutig in Gewässern abgelagert wurden. Nun wird vermutlich schon klarer, was dieser Bericht mit unserer Fossilien-Community zu tun haben könnte. Denn, so die Überlegung, wenn es früher Wasser gegeben hat, muss es wärmer gewesen sein, die Atmosphäre dichter, alles in allem also ähnlich lebensfreundliche Bedingungen, wie sie auf der jungen Erde geherrscht haben. Durch den Fund von Sedimentgesteinen würde die Möglichkeit bestehen, auf Spuren von ausgestorbenem Leben, also Fossilien, zu stoßen.  

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Bild 5: Eine Übersicht über die Landeroboter mit dem Zweck der geologischen Marserforschung: Ganz unten links "Sojourner", der erste Rover auf dem Mars zur Technologieerprobung, oben links ein "Mars Exploration Rover", von denen die Zwillinge "Spirit" und "Opportunity" immer noch ihren Dienst verrichten, in der Mitte unten die stationäre Landesonde "Phoenix", von der wir im Verlaufe des Berichtes noch mehr erfahren und oben rechts das "Mars Science Laboratory", welches in einigen Jahren starten soll. Auffällig ist besonders die Größenzunahme von einer Rovergeneration zu nächsten. Dadurch steigen auch Nutzlastkapazität, Mobilität und Forschungsmöglichkeiten deutlich an. [Quelle: NASA]

Im Jahre 2004 landeten die beiden Rover "Spirit" und Opportunity" auf dem Mars, mit dem Ziel, intensive Feldforschung zu betreiben. Unterstützt wurden sie von einer ganzen Flotte Raumsonden, welche sich im Orbit um den Mars befanden und für Fernaufklärung sowie die Kommunikation der Rover mit der Erde sorgten. Die auf nur 90 Tage ausgelegte Mission ist aufgrund des hohen Überlebenswillens der beiden Rover auch nach fünf Jahren bis heute nicht zu Ende gegangen, so dass schon über 20 Kilometer mit unzähligen Stops zur Untersuchungen geologisch interessanter Stellen zurückgelegt werden konnten. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse übertrafen selbst die Erwartungen der Optimisten und änderten das Bild vom Mars grundlegend:

- Die Instrumente entdeckten vielen Minerale, welche von der Erde bekannt sind und welche hier nur entstehen, wenn mineralhaltiges Wasser verdampft. Beispiele für solche gefundenen Mineralien sind solche mit hohen Schwefelkonzentrationen, Jarosit, Gips und Anhydrid

- Es wurden Gesteine entdeckt, die würfelförmige Hohlräume enthielten. Solche Gesteine kennt man von der Erde. Sie entstehen, wenn Kristalle durch Wassereinwirkung aus dem Muttergestein gelöst werden.

- Es wurden fein geschichtete Gesteine entdeckt, welche stark an Sedimentgesteine der Erde erinnerten. Diese Annahme wurde dadurch verstärkt, dass in ihnen regelmäßig verteilt eine große Anzahl kleiner Hämtitkügelchen eingelagert waren. Diese Konkretionen sind auch von der Erde bekannt und entstehen in bewegtem Wasser. Solche Gesteine werden auch als Ooide bezeichnet.  

- Weiterhin wurden schräg geschichtete Sedimente gefunden, wie sie bei Ablagerungen an Küstenlinien der Erde zu beobachten sind. In diesen Gesteinen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, auf Überreste von Lebewesen zu treffen, insofern es jemals Leben auf dem Mars gegeben hat. Daher werden diese Formationen sehr wahrscheinlich eine der bevorzugten Landestellen für künftige Forschungssonden darstellen.

- Es wurden charakteristische Schichtpakete aus unterschiedlichen Sedimenten und mit unterschiedlichen Lagenstärken entdeckt, die sich über sehr große Flächen erstrecken. Diese deuten auf ein einheitliches Ablagerungsmillieu in Form eines flachen Meeres oder großen Sees hin. Hier konnten bereits erste grobe stratigraphische Untersuchungen durchgeführt werden, mit Profilvergleichen über große Distanzen hinweg.  

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Bild 6: Geschichtete Gesteine, durch Winderosion freigelegt [Quelle: NASA / JPL]

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Bild 7: Mars Exploration Rover bei der Gesteinsuntersuchung. Der Instrumentenarm enthält unter anderen Mikroskope, Bohrer und Spektrometer zu Charakterisierung der gefundenen Gesteine [Quelle: NASA / JPL]

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Bild 8: Ooidisches Gestein, welches durch Winderosion zersetzt wurde. Übrig geblieben sind die eingelagerten, härteren Hämatitkügelchen. Der kreisrunde helle Bereich auf dem Gesteinbrocken stellt eine Untersuchungsfläche da, bei dem die Oberfläche abgefräst wurde. [Quelle: NASA / JPL]

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Bild 9: Die Hämatitkügelchen "in situ", eine Mikroskopaufnahme des Ooidischen Gesteins mit einigen Kügelchen, zu erkennen auch die feine Schichtung, welchen von schräg unten links nach oben rechts verläuft. [Quelle: NASA / JPL]

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Bild 10: Eine spektroskopische Aufnahme eines Erosionsgebietes aus der Umlaufbahn: Die tiefer liegenden blauen Bereiche stellen ein Schichtpaket dar, welches überwiegend aus Carbonatgesteinen besteht und welches sehr wahrscheinlich auf dem Grund eines flaches Meeres gebildet worden ist. Die gelben Schichten sind reich am Mineral Olivin. [Quelle: NASA]

Zusammen mit den Bildern der Raumsonden aus dem Orbit beginnt sich daraus nun, der Wissenschaftszweig der Marsgeologie zu entwickeln. Auch eine Zeitskala gibt es schon, die noch sehr grob ist, aber bereits die Äquivalente zum Erdaltertum, zum Ermittelalter und zur Erdneuzeit enthält:

Das Noachium: Diese Periode reicht vom der Entstehung des Mars vor etwa 4,5 Milliarden Jahren bis etwa vor 3,8 Milliarden Jahren. Geprägt ist diese Periode von einem starken Bombardement von Meteoriten. Gleichzeitig gibt es aber viele Anzeichen für das Vorhandensein von Wasser in Form von Erosions- und Sedimentationsspuren. Daher wird angenommen, dass es in dieser Periode warm und feucht war.

Das Hesparicum: Diese Epoche beginnt mit dem Ende des Meteoritenbombardements und dauerte bis etwa vor 1,8 Milliarden Jahren. Benannt ist es nach dem Hesperia - Hochland. Gekennzeichnet ist diese Periode durch heftigen Vulkanismus, dessen Eruptionen die durch das Noachium geprägten Landschaften überdecken.

Das Amazonicum: Diese Periode ist vergleichbar mit der Erdneuzeit, beginnt mit dem Ende des Hesparicum und dauert bis heute an. Diese Periode bildete den Mars aus, so wie wir ihn heute kennen: Kalt und trocken. Flüssiges Wasser an der Oberfläche existierte nicht mehr oder nur sehr kurzfristig.

Wer sich nun fragt, wie man auf diese Einteilung kommt, dem möchte ich die Methode dazu erläutern. Es wurde ein Modell entwickelt,  mit der sich die Anzahl der von Meteoriten verursachten Einschlagkrater direkt auf das Alter einer Landschaft korrelieren lässt. Kurz gesagt: Je älter eine Landschaft ist, desto mehr Einschlagkrater gibt es. Untersucht man die Oberfläche des Planeten nun bezüglich dieser Merkmale, so fallen drei typische Landschaftsstrukturen auf, die deutlich voneinander getrennt sind. Da sich diese Landschaftstypen auch durch weitere geologische Strukturen voneinander unterscheiden, kam es zur Gliederung in das Noachium, Hesparicum und Amazonicum. Im Laufe der weiteren Untersuchungen mit Hilfe von Robotersonden auf der Oberfläche des Planeten wird sich nach und nach eine immer feinere Gliederung der Formationen des Mars ergeben.

Eine solche landete im Jahre 2008 in einer geologisch äußerst interessanten Region: Die Sonde "Phoenix" setzte am Rande der nördlichen Polkappe in einem Bereich auf, der von oben betrachtet sehr an Permafrostregionen der Erde erinnerte. Ziel war es, die Bodenchemie zu untersuchen und einen direkten Nachweis von Wassereis zu erbringen. Dies gelang nahezu auf Anhieb: Der für Grabungen an der Sonde angebrachte Roboterarm mit Schaufel fand bereits bei einem seiner ersten Spatenstiche reines, leuchtend weißes Wassereis – und das nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche. Die Vermutung, es handele sich bei den markanten Bodenstrukturen um Permafrost war somit erbracht. Dadurch wurde klar, dass es auf dem Mars Regionen geben kann, die regelmäßig auftauen und somit das wichtigste Element für Leben enthalten, nämlich flüssiges Wasser. Dadurch setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass es lohnend sein könnte, nicht ausschließlich nach ausgestorbenen Leben zu suchen, sondern auch nach noch existierenden Lebensformen Ausschau zu halten.

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Bild 11: Foto der Landesstelle von Phoenix: Eine karge Landschaft mit typischen regelmäßigen kleinen Hügelchen, wie sie in Permafrostregionen entstehen, deren Oberflächen regelmäßig auftauen und erneut einfrieren. [Quelle: NASA]

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Bild 12: Dieses Foto zeigt eine Grabung, welche vom Roboterarm der Phoenix-Sonde durchgeführt wurde und ist gleichzeitig der erste direkte Beweis von Wassereis auf dem Mars. Die weißen Bereiche stellen reines Wassereis dar, welches durch das Fehlen der schützenden Staubschicht nach und nach verdampfte. [Quelle: NASA]

Mitte Januar diesen Jahres schließlich wurde die bislang wohl bedeutendste Entdeckung der Öffentlichkeit bekannt gegeben: Methan in der Marsatmosphäre. Methan kann durch geologische Prozesse entstehen, hauptsächlich entsteht es aber – zumindest auf der Erde – als Stoffwechselprodukt von lebenden Organismen. So stammen 90% des Methangases in der Erdatmosphäre von Organismen. Die Atmosphären aller anderen Planeten enthalten keinerlei Methan. Dies liegt daran, dass das Gas ständig neu produziert werden muss, da es sehr schnell von der UV-Strahlung der Sonne zersetzt wird. Methangas in der Atmosphäre eines Himmelskörpers gilt daher schon lange als ein wichtiges Indiz für das Vorhandensein von Leben. Die Quelle des Methans konnte durch spektroskopische Beobachtung der Atmosphäre auf große Ausbrüche im warmen im Marssommer zurückgeführt werden. Diese fanden in den flachen, tiefliegenden Regionen statt, welche in Verdacht stehen, alte ausgetrocknete Meere mit hohem Grundwassergehalt zu sein. Dies spricht für Leben als Verursacher, denn wäre das Gas bei geologischen Prozessen erzeugt worden, wären die Quellen eher im Bereich des vulkanischen Hochlandes zu vermuten.

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Bild 13: Von erdgebundenen Teleskopen wurde die Atmosphäre des Mars über einen längeren Zeitraum spektroskopisch untersucht. Dabei wurden Wolken aus Methan entdeckt, die in den wärmeren Sommermonaten aus dem nördlichen Flachland austraten. Die roten Bereiche stellen dabei die höchsten Methankonzentrationen dar. [Quelle: NASA]

Was kommt nun als nächster Schritt? Zum einen werden die Methanquellen intensiv erforscht werden, um ihre exakte Position und ihren Aufbau besser zu verstehen. Schließlich wird man an diesen Stellen leistungsfähige Langeroboter schicken, die Analyseinstrumente an Bord haben, um gezielt nach Leben zu suchen. Diese Missionen sind bereits geplant oder schon im Bau: 2011 folgt der MSL-Rover der NASA (MSL steht für Mars Science Laboratory), und im Jahr 2016 schicken auch wir Europäer einen Kundschafter zum roten Planeten, nämlich den ExoMars-Rover. Sollte letzterer die lange Reise erfolgreich überstehen und viele interessante neue Erkenntnisse erbringen, werde ich hier gerne wieder berichten, da ich an der Entwicklung einiger wissenschaftlicher Geräte beteiligt bin, welche die Bodenuntersuchungen durchführen werden.

Der einst für so tot und lebensfeindlich gehaltene Planet Mars ist also deutlich lebendiger, als vermutet - zumindest geologisch. In Zukunft werden wir daher sehr wahrscheinlich noch einige Überraschungen erleben, welche unser Bild vom Weltall und der Entstehung des Lebens deutlich verändern könnte. Es bleibt also spannend!