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Ein Tag im Unteren Muschelkalk von Winterswijk

Im Steinkern.de Forum hatte ich schon längere Zeit die Berichterstattung von Herbert Voß und anderen über den Steinbruch Winterswijk in der niederländischen Provinz Gelderland (unweit der westfälischen Städte Borken und Bocholt) mit Interesse verfolgt (Zum Foren-Thema). Als Rainer Albert mir dann seinen Artikel "Reptilienfährten aus dem Unteren Muschelkalk von Winterswijk" für das Steinkernheft Nr. 7 zusandte und gleichzeitig mitteilte, dass er am 2. Juli 2011 wieder vor Ort sein würde, fasste ich den Entschluss auch für ein Treffen dorthin zu kommen und mir die Grube anzusehen. Wichtig war dabei auch der gesellschaftliche Aspekt, konnte der Besuch der Grube doch mit dem Kennenlernen bzw. einer erneuten Begegnung mit einigen Steinkern Mitgliedern verbunden werden. Es wurde gleichsam das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden und ein unterhaltsamer Tag nahm seinen Lauf.

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Der erste verheißungsvolle Blick in den Steinbruch.

Der Steinbruch öffnete gegen 9 Uhr seine Pforten. Als wir um Punkt Neun kamen, konnten wir beim Blick in die Grube schon zwei Dutzend Frühaufsteher sehen, die sich bereits an ihren Claims eingefunden hatten. Kein Problem, denn der Steinbruch ist groß genug, so dass jeder einen auskömmlichen Platz findet. Bevor es in die Kalkgrube ging, konnten wir noch den hervorragenden Band Staringia 11 über die Saurier aus dem Muschelkalk von Winterswijk am Zugang zur Grube erwerben, wo auch überprüft wird, ob man auf der Anmeldeliste steht (zum Verfahren, siehe den oben zitierten Forenbeitrag). Wir hatten das Glück dort direkt mit einem der Autoren des Buches - Herrn Henk Oosterink - einige Worte wechseln zu können. Er gehört der Niederländischen Geologischen Vereinigung (NGV) an, die in Kooperation mit den Betreibern der Kalkgrube die Tage des offenen Steinbruchs organisiert.
Eine vorbidliche Zusammenarbeit zum Wohle der Fossiliensammler und zum Nutzen der paläontologischen Erforschung der Ablagerungen in der Kalkgrube
so etwas würde man sich auch in Deutschland an manchen Orten wünschen!

Am Zugang konnten wir eine kleine Ausstellung mit Winterswijk-Funden besichtigen. Es sind normale Funde ausgestellt, die jeder Sucher mit etwas Glück finden kann (natürlich bei einem einzigen Besuch nicht in dieser Vielzahl). Eine Plakatwand zeigt, was mit viel Glück und vor allem Ausdauer nur in absoluten Ausnahmefällen möglich ist: Artikulierte Skelette und Schädel - Funde wie sie meist nur von ausdauernden Lokalsammlern zutage gefördert werden.


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Plakatwand in der kleinen Ausstellung im Bau-Container am Zugang - das Gesehene wirkt mindestens für einige Stunden sehr motivierend. Am Ende des Sammeltages wird man anerkennend feststellen müssen: Solche Funde sind der Preis für jahrzehntelangen Fleiß und keineswegs an der Tagesordnung.


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Präparierte Knochen aus den Knochenschichten der Kalkgrube Winterswijk - so gesehen in der Ausstellung am Eingang. Unpräparierte Stücke sind meist wesentlich schwerer erkennbar. Hier gilt es z.B. auch auf Querbrüche zu achten!

Nach der Begrüßung der Kollegen und der ersten Orientierung im Bruch begann ich mit der Fährtensuche. Es gibt in den Schichten des Unteren Muschelkalks von Winterswijk mehrere Fährtenhorizonte, so dass nicht nur die Spezialisten eine Chance auf Funde haben, sondern jeder, der aufmerksam über die Schichtflächen läuft oder Haldenmaterial durchmustert. Je nach Konsistenz des Untergrundes in dem die "Tapser" entstanden sind, sind die Fährten oft nur undeutlich. In Abhängigkeit vom Lichteinfall kann man sie mehr oder weniger gut erkennen. Am häufigsten sind die Trittsiegel Procolophonichnium und Rhynchosauroides. Diese Spuren stammen von kleinen Reptilien, die auf den Wattflächen vor dem Rheinischen Massiv auf Futtersuche gegangen waren und sprichwörtlich "bleibenden Eindruck hinterließen". Andere Fährten sind um ein Vielfaches seltener.

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Der Autor bei einem Probeschurf auf der Suche nach Fährten. Die in diesem Bereich fein geschichteten Schichten erinnern vom Spaltverhalten ein klein wenig an die Solnhofener Plattenkalke, sind aber freilich anders zusammengesetzt.

Schon bald sind die ersten undeutlichen Trittsiegel entdeckt. Nach einer Stunde kommt im Anstehenden sogar eine erste Platte mit Hand- und Fußabdruck zutage – die Spur stammt von Rhynchosauroides.

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Mein bester Fund des Tages - eine schöne Rhynchosauroides-Spur.

Eindrucksvoll sind die fossil überlieferten Trockenrisse, welche das Sediment in unzählige Vielecke unterteilen. Findet man einen Fährtenabdruck, so bietet es sich an, die Platte in der Formgebung des Trockenrisses zu bergen und sie nicht weiter zu zerkleinern. Findet man Positiv und Negativ sollte man beide bergen. Manchmal ist das Negativ optisch sogar eindrucksvoller zu präsentieren, als das Positiv.

Der Steinbruch füllt sich zunächst kaum merklich mit Sammlern, bis in der Mittagszeit dann plötzlich mehrere hundert Menschen vor Ort sind. Viele davon sind Familien mit Kindern und eher sporadisch an Fossilien interessiert. Insofern muss man etwas Acht darauf geben, dass man seine gefundenen Platten gut verstaut und nicht offen um die Grabungsfläche verteilt herumliegen lässt. Allzu schnell kann es sonst - ohne böse Absicht - passieren, dass sie einem noch unbedarften Sucher zum Opfer fallen.

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Sammler im Bereich des Bonebeds.

Während der Suche bekommt man manchmal mit, was die anderen Sammler finden. Einige suchen konzentriert im sog. Bonebed. Der Begriff ist eigentlich eine Übertreibung, denn es handelt sich nicht um eine Schicht, in der Knochen massenhaft auftreten, wie man das bei einem Bonebed meinen möchte. Jedoch bietet diese Schicht im Gegensatz zu klassischen Bonebeds realistische Chancen auf die Erhaltung (teil-)artikulierter Skelette. Häufiger sind die Knochen auch hier nur isoliert zu finden. Es handelt sich bei den Funden größtenteils um die Sauropterygier Nothosaurus und Anarosaurus.

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Drei Winterswijk-Profis aus den Niederlanden bei der Arbeit. Man beachte die rote Schicht in der Wand. Etwa 70 cm unter diesem Paläosol befindet sich die knochenreichste Schicht. Hier können übrigens auch gelegentliche Fischreste gefunden werden (eine potentielle Beute der spurenverursachenden Reptilien).

Die "Steinkerne" Herby und Polina finden tatsächlich mehrere Knochen kleiner Sauropterygier, teils sogar als Lesefund. Und das obwohl schon seit Stunden zahlreiche Augen in der Umgebung nach Fossilien Ausschau gehalten hatten. Alles ist möglich!

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Begutachtung des Knochenfundes von Polina. V.l.n.r.: Fränk, Polina, Hermann, im Vordergrund: Herby (immer erkennbar am T. rex Helm!).

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Femur eines Sauropterygiers, gefunden von Polina.

Wenn die Kräfte fürs Graben nachlassen, bietet es sich an auf die Suche nach Mineralien zu gehen. Es können stellenweise schöne Pyritstufen gefunden werden. Die Fundchancen hängen jedoch, genau wie beim Fossilien sammeln, sehr stark von der Aufschlusssituation ab.
Gegen 15:30 Uhr packen wir langsam die Ausrüstung (Klappspaten, Flachmeißel, Hammer, Fäustel) und die Funde (gut einwickeln!) zusammen und beenden die Sammeltätigkeit.  Vor der anschließenden Mineraliensuche in einer anderen Grube, ist noch kurz Zeit die freundliche Einladung von Herby zum Anschauen seiner Sammlung wahrzunehmen (danke nochmals), bevor der Tag in einer Steinkernrunde in einem Borkener Restaurant endet. Es werden schon die ersten Pläne für den nächsten Besuch der Winterswijker Grube geschmiedet.


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Sammlungsvisite bei Herbert Voß ("Herby"), links der Autor, rechts Herby. Dieser Besuch gehört zu einem Winterswijk-Tag einfach dazu...

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... auch um zu sehen, was man alles nicht gefunden hat. Wie etwa diese prächtige Fährte (Negativabdruck), die bei entsprechender Beleuchtung hervorragend erkennbar ist.


Weiterführende Literatur:

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Albert, R. (2011): Reptilienfährten aus dem Unteren Muschelkalk von Winterswijk, in: Der Steinkern – Heft 7, S. 58-67.

Oosterink, H. et al. (2003): Sauriërs uit de Onder-Muschelkalk van Winterswijk. – Staringia 11, 146 S.