Niedersachsen

Der Lias im Raum Göttingen

Nachdem ich in den vergangenen Tagen hier im Forum die tollen Bilder von Funden aus der Tongrube Vöhrum gesehen habe, habe ich innerlich mit mir gerungen, ob ich die Zeit, die das Abfassen dieses Berichtes erfordert, nicht besser in eine Exkursion nach Vöhrum investieren sollte. Anderserseits hatte ich den Bericht über Fundstellen im Göttinger Lias vor nunmehr einem Monat bereits implizit angekündigt, und deshalb möchte ich ihn euch nicht vorenthalten.

Wie man diesen einleitenden Worten entnehmen kann, sind die Fundmöglichkeiten im Göttinger Lias allenfalls suboptimal, was zum Großteil einer Auflassung und teilweisen Renaturierung der meisten Tongruben um Göttingen geschuldet ist, was aber andererseits auch unmittelbar aus einer vergleichsweise schwachen Fossilienüberlieferung des Göttinger Lias an sich erwächst.

Stratigraphisch umfaßt das erhaltene Lias-Profil um Göttingen den Bereich von den Psilonotenschichten des unteren Hettangiums bis zu den Amaltheenschichten des Pliensbach, bei einer Gesamtmächtigkeit von ungefähr 225 m (1). Eine genaue Kenntnis der erhaltenen Abfolge wurde dabei durch zahlreiche Bohrungen geliefert, während in den verschiedenen Tongruben natürlich jeweils nur Teilbereiche des Gesamtprofils aufgeschlossen sind. Darüber hinaus existieren einige Feldfundstellen, die ich aus diesem Bericht jedoch ausklammern möchte.



Jacobi-Tonwerke Parensen

 

Beginnen soll der Bericht mit der etwa 10 km nördlich Göttingens gelegenen Ziegeleigrube der Jacobi-Tonwerke bei Parensen (2), in der ein etwa 10 m mächtiger Schichtabschnitt des oberen Hettangiums (angulata-Zone, Lias α2) bis unteren Sinemuriums (semicostatum-Zone, Lias α3) aufgeschlossen ist.

Diese Grube habe ich einige Male im Herbst 2003 und Frühjahr 2005 besucht. Dabei habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Abbautätigkeit in der Grube stark eingeschränkt ist, man aber noch nicht von einer Auflassung sprechen kann. Deshalb ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft immer wieder einmal Toneisensteingeoden und eine aus dem oberen Profilabschnitt stammende sandige Kalksteinbank freigelegt werden, die eine gewisse, wenn auch monotone Fossilführung aufweisen. Bild 1 zeigt einen Blick auf den blaugrauen feinsandigen Tonstein der semicostatum-Zone.

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Bild 1: Tonsteine der semicostatum-Zone, Tongrube Parensen, Blickrichtung N, Zustand 2003.




 

Die erwähnte dunkelgraue Kalksteinbank führt massenhaft zum Teil plastisch erhaltene Steinkerne von Arnioceras oppeli, die in nahezu schwarzer Kalziterhaltung vorliegen und nach meiner Erfahrung bis zu 5 cm Durchmesser erreichen. Auf der Bankoberfläche finden sich darüber hinaus zwar flachgedrückte, dafür aber in weißer Schalenerhaltung überlieferte Arnioceraten, wie sie in Bild 2 gezeigt sind.

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Bild 2: Arnioceras oppeli auf der Oberseite der Kalksteinbank, Breite des Handstücks: 15 cm.



 

Tongrube Hente und Spieß

Unmittelbar südlich an das Göttinger Stadtgebiet angrenzend findet sich die auflässige Tongrube Hente und Spieß (2). Der hier erschlossene Profilabschnitt läßt sich aus Bild 3 erahnen, das den Gesamtaufschluß zeigt. Hier stehen im Liegenden Angulaten-Schiefertone des Lias α2 an, und im Hangenden finden sich direkt unterhalb der Häuser die durch dünne Tonlagen unterbrochenen Angulaten- Sandsteine.

Die Grube ist weitgehend geflutet und im oberen Profilbereich renaturiert, so daß sie landschaftlich zwar sehr schön ist, die Fundmöglichkeiten für Fossilien aber eher bescheiden ausfallen. Mit etwas Glück findet man jedoch Tonstein-Geoden mit Schlotheimia sp., wie sie die Bilder 4 und 5 zeigen. Eine pyritiserte Schlotheimia sp. konnte ich auch direkt aus dem anstehenden Schieferton bergen; sie ist leider inzwischen stark ausgeblüht, so daß eine Abbildung nicht lohnt. Darüber hinaus lassen sich Seelilien-Stielglieder, Steinkerne von Schnecken und Pyritkristalle aufsammeln.

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Bild 3: Tongrube Hente und Spieß bei Göttingen, Blickrichtung NE, Zustand 2003.




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Bild 4: Tonstein-Geode in den Angulatenschichten der Tongrube Hente und Spieß.


 

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Bild 5: Pyritisierte Schlotheimia sp. auf Tonstein-Geode, Tongrube Hente und Spieß, Durchmesser: 3,5 cm.




Tongrube Meurer

Getrennt durch die Eisenbahn in Richtung Kassel schließen sich westlich an die Tongrube Hente und Spieß die beiden Meurerschen Tongruben an (1), (2). Hier war ursprünglich ein Profilabschnitt von den Triletesschichten (Rhät) bis zu den Angulatenschichten erschlossen, der heute jedoch größtenteils geflutet ist. Vereinzelt lassen sich hier lose Bruchstücke von Ammoniten der Gattung Saxoceras sp. aus den höchsten Psilonotenschichten aufsammeln, siehe Bild 6.

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Bild 6: Saxoceras sp., Tongrube Meurer, Durchmesser 4 cm.




Tongrube Eichenberg

 

Der einzige mir bekannte Lias-Aufschluß im Raum Göttingen, in dem sich das Sammeln lohnen kann, ist die etwa 20 km südlich Göttingens gelegene Tongrube Hottenrode bei Eichenberg (1). Zwar wird der westliche Teil dieser Grube seit einiger Zeit verfüllt, in dem im Jahre 2002 neu angelegten östlichen Grubenteil wird jedoch auch heute noch von Zeit zu Zeit Ton abgebaut, so daß der Aufschluß sein Gesicht immer wieder verändert.

Die hier aufgeschlossenen Ton- und Mergelsteine der Arietenschichten (semicostatum-Zone, unteres Sinemurium, Lias α3) sind steil aufgerichtet und grenzen an einer Störungszone unmittelbar an Sandsteine, die dem Steinmergel- und Rhätkeuper zugeordnet werden. Aufgrund der Aufrichtung der überlieferten Arietenschichten ist ein relativ breiter Profilabschnitt von ungefähr 30 m Mächtigkeit zugänglich (Bild 7).

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Bild 7: Arietenschichten im östlichen Teil der Tongrube Eichenberg, Blickrichtung S. An dem Hang im Bildhintergrund grenzen die Arietenschichten an einer Störung unmittelbar an Keuper-Sandsteine, Zustand 2004. Gegenwärtig hat sich die Breite des Aufschlusses ungefähr verdoppelt.


Im unteren Profilabschnitt der Arietenschichten steht eine schiefrige Mergelbank an, welche zahlreiche gut erhaltene Steinkerne von Gryphaea arcuata führt. Darüber folgt eine Wechsellagerung von Ton- und Mergelsteinen sowie dünnblättrigen Mergelschiefern, in die lokal eine Septarienlage eingeschaltetet ist. Aus den Tonsteinen lassen sich vollkörperlich erhaltene Ammoniten der Gattungen Arnioceras sp. und Euagassiceras sp. bergen, die zum Teil als Pyrit-Steinkerne, großteils jedoch in Form von „Tonstein-Steinkernen“ vorliegen und eine Größe von bis zu 3 cm erreichen.

Die Mergelschiefer (Bild 8) bergen schließlich (leider) fast immer plattgedrückte Steinkerne von Ammoniten der genannten Gattungen, die hier nach meiner Erfahrung eine Größe von bis zu 15 cm erreichen können und oftmals Schalenerhaltung zeigen. Wenn man sich an der nur zweidimensionalen Überlieferung dieser Ammoniten nicht stört, so lassen sich hier rasch schöne Handstücke bergen, auf denen die Ammoniten dicht an dicht liegen. Ein Problem kann die geringe Haltbarkeit der Mergelschiefer mit sich bringen, wenn diese im Zuge der Trocknung in papierdünne Lagen aufspalten. Aus diesem Grund sollte man die Schieferplatten bereits im Steinbruch hinsichtlich ihrer Festigkeit sondieren und sie gegebenenfalls später entsprechend konservieren.

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Bild 8: Schurf in den steilstehenden Mergelschiefern der Tongrube Eichenberg.




Im folgenden möchte ich nun einige Funde aus der Tongrube Eichenberg vorstellen.

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Bild 9: Arnioceras semicostatum, links in Pyrit-, rechts in Tonstein-Erhaltung, 17 und 14 mm.


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Bild 10: Arnioceras oppeli (29 mm) und Angulaticeras sp. (15 mm).




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Bild 11: Euagassiceras resupinatum (14 mm) und Arnioceras miserabile (15 mm).




 

Mit etwas Glück lassen sich auch vollkörperlich erhaltene Arnioceraten in Schalenerhaltung finden. Neben den klassifizierbaren Ammoniten finden sich darüber hinaus nicht näher bestimmbare Steinkerne juveniler Formen.

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Bild 12: Arnioceras semicostatum in Schalenerhaltung (21 mm) und juveniler Ammonit (5 mm).

 

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Bild 13: Arnioceras semicostatum in Fundsituation, Durchmesser: 9 cm.

 

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Bild 14: Arnioceras cf. acuticarinatum, Durchmesser: 6 cm.

 


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Bild 15: Begleitfauna aus Oxytoma inaequivalvis (3 cm und 2,5 cm).



Selten finden sich in tonigen Abschnitten des Mergelschiefers auch plastisch erhaltene Ammoniten.

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Bild 16: Plastisch erhaltener Arnioceras sp. in tonigem Mergelschiefer, Durchmesser: 4 cm.



Die in die Arietenschichten eingeschalteten Septarien führen selten ebenfalls Ammoniten. Fast immer besitzen sie jedoch Schwundrisse, die sehr dekorativ mit Kalzit und Siderit auskristallisiert sind.

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Bild 17: Septarie mit Schwundrissen, auskristallisiert mit Kalzit und Siderit. Breite: 25 cm.




Beim Spalten einer sehr großen Geode zeigte sich auf der Bruchfläche ein Arnioceraten-Querschnitt mit 8 cm Breite. Beim Waschen der Geode habe ich zuhause dann festgestellt, daß der Arnioceras sp. sich in der Wohnkammer eines großen anderen Ammoniten mit geschätzten 50 cm Durchmesser befand. Leider waren außer dem Gegenstück der Bruchfläche, das sich in der Sammlung meines Sammlerfreundes H. B. findet, die weiteren Bruchstücke der Geode nicht mehr auffindbar. Hätte ich die Geode also lieber einmal nicht gespalten...

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Bild 18: Arnioceras sp. mit 8 cm Durchmesser in der Wohnkammer eines großen Ammoniten, von dem leider nur das gezeigte Stück und das Gegenstück der Bruchfläche erhalten sind.


Die Bestimmung der hier vorgestellten Funde ist mit Hilfe der angegebenen Literatur erfolgt, bei der es sich nicht explizit um Bestimmungsliteratur handelt. Für eventuelle Korrekturvorschläge wäre ich daher dankbar.




Alle Fotos und Sammlung: Stefan Wagner.



Literatur

 

(1)   G. Arp et al.: Exkursionsführer „Trias und Jura von Göttingen und Umgebung“,   www.geobiologie.uni-goettingen.de/Mitarbeiter/Arp/Exkursion-Goettingen.pdf.

 

(2)  Erläuterungen zu den Geologischen Karten Blatt Göttingen und Blatt Nörten-Hardenberg.