Frankreich

Die Fossilien des Gargasien in der Provence / Südfrankreich

Östlich von Avignon liegt zwischen der Stadt Cavallion und den Voralpen der Hautes Provence im Osten ein kleiner Gebirgszug, der Luberon. Der Luberon, die nördlich davon gelegene Montagne du Vaucluse und das dazwischen gelegene Tal von Apt gehören zum größten Teil zum „Parc Naturel régional du Luberon“ etwa 40% davon sind als geologisches Schutzgebiet „Réserve naturelle géologique du Luberon“ ausgewiesen, hier ist es verboten, nach Fossilien zu graben oder sie zu sammeln.


Wie der Blick auf die geologische Karte zeigt, ziehen die Schichten des Gargasien am Fuße des Vaucluse-Gebirges entlang. In der Natur fallen sie oft als vegetationslose, aberodierte Mergelhügel ins Auge, sog. „Bad Lands“. Diese Hügel können durchaus bis zu 30 Meter hoch werden, die gesamte Mächtigkeit der blau-grauen Gargasienmergel kann bis 80 Meter betragen.


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Typische graue Mergel des Gargasien, hier bei Carniol nahe des Ortes Simiane-la-Rotonde

Diese Mergel zeichnen sich durch einen Reichtum an zwar kleinen, dafür aber stets gut erhaltenen, gut ausgebildeten und pyritisierten Fossilien aus. A.E.Richter erwähnt in seinem Buch „Südfrankreich und seine Fossilien“ (1979), dass nur im unteren Bereich des Gargasiums eine etwa ein Meter mächtige, stark fossilhaltige Bank ist. Aus meinen eigenen Aufsammlungen kann ich dies bedingt bestätigen, die höheren Bereiche sind eindeutig fossilärmer, wenn auch nicht fossilleer.
In der rein marinen Fauna des Gargasien weisen vor allem die Ammoniten einen großen Artenreichtum auf, daneben finden sich verschiedene Arten von Belemnitenrostren, Muscheln, Gastropoden, vereinzelt auch Brachiopoden, sehr selten hingegen sind Haifischzähne, Wirbel und Seeigel. Leitfossilien des Gargasien sind die beiden charakteristischen Ammonitenarten Aconeceras nisus D´ORBIGNY und Dufrenoyia dufrenoyi D´ORBIGNY, zwei eigentlich unverkennbare Ammonitenarten, die auf einer Sammeltour oft mehr als die Hälfte der Funde ausmachen können.

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Aconeceras nisus D´ORBIGNY - ein Leitammonit des Gargasien.
Diese mit Pyritkristallen besetzten Ammoniten stammen vom
Fundort Carniol in der Hautes Provence.

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Dufrenoyia dufrenoyi (D´ORBIGNY) oder Dufrenoyia furcata (D´ORBIGNY)
Die beiden Arten sind sehr ähnlich und unterscheiden sich durch stärkere
Rippen der Art furcata.
Fundort : Carniol bei Simiane-la-Rotonde, Durchmesser : 4 cm

Die Aufschlüsse des Gargasien unterliegen einer recht starken Erosion. Besonders im Winter kommt es durch starke Regenfälle häufig zu kleinen Erdrutschen, das ablaufende Regenwasser bildet in den Rinnen starke Bäche, die oft metertiefe Canyons in die Erde schneiden. Zum Glück für den Sammler, denn nach jedem Regen sind neue Fossilien freigespült. Damit ist auch ein weiterer Reiz dieser Schichten angesprochen, denn man muß lediglich die Erdoberfläche absuchen. Als Werkzeug benötigt man ein größeres Taschenmesser oder einen Geologenhammer (der auch beim Erklimmen der Hänge hilft) und eine Tüte, die man am besten am Gürtel gefestigt, um beide Hände frei zu haben.
Graben lohnt sich hier nicht, der an der Erdoberfläche vorgetäuschte Fossilreichtum ist im Anstehenden nicht wiederzufinden. Ein recht guter Sammeltag kann mehrere hundert Fossilien  einbringen, von denen die meisten jedoch nur bis zu einem cm groß sind. Aber gerade diese Funde sind meist tadellos erhalten und unter dem Binokular interessant zu betrachten.
Die freigespülten Fossilien sammeln sich in den Ablaufrinnen des Wassers, hierauf sollte man also ein besonderes Augenmerk richten. Allerdings überstehen größere Exemplare den Weg den Hang hinab nur selten ohne Schaden, so dass in den Rinnen nur Bruchstücke und kleinere Exemplare liegen. Sucht man jedoch auch auf den Abhängen, so finden sich auch stattlichere Exemplare.

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Belemniten der Gattung Neohibolites.
Fundort : La Tuiliere bei Apt, größtes Exemplar : 5 cm
Gerade in den Mergeln von La Tuiliere gibt es riesige Belemnitenschlachtfelder, unendliche Menge von Belemniten und Belemnitenbruchstücken liegen herum - allerdings nicht zu Platten verbacken, wie man es aus dem süddeutschen Jura kennt.

Die Präparation ist denkbar einfach. Da die Fossilien ziemlich unempfindlich sind, schüttet man den Tagesfund in einen Eimer Wasser, lässt den anhaftenden Mergelton ein bis zwei Stunden einweichen und bürstet die Fossilien bei Bedarf noch einmal ab. Empfindliche Fossilien wie Austern etc. wandern natürlich nicht mit in den Eimer. Noch anhaftender Schmutz kann durch leichtes Bürsten mit der Messingbürste entfernt werden, aber Achtung : manche Fossilien sind mit kleinen Pyritkristallen übersäht, hier hat die brutale Behandlung mit der Messingbürste üble Folgen.


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Ein Kieferbruchstück eines Pycnodontiers aus den Mergeln von Carniol / Hautes-Provence.
Größe : 1 cm
Pycnodontier sind die bekannten Korallen- oder sonstigen Knacker, dazu gehört auch die bekannte Solnhofengattung Gyrodus. Stratigraphisch reichen die Pycnodontier bis ins Eozän, aus der Unterkreide sind diverse Gattungen bekannt.


Die Schichten des Gargasien repräsentieren das obere Aptien, eine Einheit der Unterkreide. Benannt wurde das Aptien von D´Orbigny (1840) in der „Paleontologie francais“. D´Orbigny beschrieb nur die Fauna aus den grauen Mergeln der Umgebung von Apt, die nach heutiger Stratigraphie das Obere Aptien (=Gargasien) darstellen. Paläontologen nach D´Orbigny untergliederten das Aptien bereits in zwei stratigraphische Einheiten mit unterschiedlichen Fauneninhalten :

1.    ein kalkiges Aptien an der Basis des Aptien, repräsentiert durch die Kalke von Bédoule, Ammonitenkalke.
2.    ein mergeliges Aptien, repräsentiert durch die Mergel von Gargas. Beim Ort Gargas nahe Apt findet sich die Typuslokalität des Gargasien, auf den Mergelkalken des Bedoulien liegen dunkelblaugraue Mergel mit Mächtigkeiten von 4 – 80 Metern auf. Gargas ist ebenfalls der Stratotypus für das Aptien und das Gargasien.

A.Toucas & W.Kilian erstellen zwei Etagen :

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Interessant sind zwei unterschiedliche Faunenprovinzen des Gargasien, die bereits von Kilian (1913) beschrieben wurden. Man unterscheidet die Faunenprovinz vom „typ orientale“ und die Faunenprovinz vom „typ occidentale“.

Typ orientale : dies ist die östliche oder alpine Fazies, die typisch ist für den Alpenraum. Die Fazies ist eine Beckenfazies mit charakteristischen Faunenelementen : Lytoceraten und Phylloceraten (dies sind Ammoniten, die auf tiefes Wasser hinweisen).
Fundstellen finden sich bspw. bei St.Andree les Alpes am Verdon und bei Lac de Castillon.

Typ occidentale : die ist die westliche oder provenzalische Fazies, sie entstammt einem Ablagerungsraum mit geringer Wassertiefe, einem Flachmeer oder einer Randmeerfazies, bodenbewohnende Fauna (Muscheln, Austern, Würmer, Gastropoden) sind oft häufig. Charakteristische Ammoniten sind Dufrenoyia, Aconeceras und Cheloniceras.
Fundstellen finden sich bspw. bei Gargas, Apt, Gordes, Joucas, La Tuiliere, Carniol, Oppedette.

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Einige Informationen über die im Text und in den Tabellen mehrfach erwähnte Urgonfazies finden sich in einem Steinkern-Bericht "Rudisten aus dem Urgonien der Provence aus dem Jahre 2005 (siehe Rubrik "Frankreich")





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Wirbel aus den Mergeln von Carniol / Hautes-Provence.
Der große Wirbel (1,2 cm) stammt von einem Selachier (Knorpelfisch, Hai), die kleinen Wirbel dürften wohl den Osteichtyes (Knochenfischen) zuzuordnen sein.


Literatur

Bechtele, W. (1978) : Provence und Camargue in Farbe. – Franckh-Verlag, Stuttgart.

Gouvernet, C., Guieu, G. & Rousset, C. (1979) : Provence - Guide Geologiques Regionaux. - Masson, Paris,

Fischer, J.C. (1989) : Fossiles de France et des regions limitrophes. - Guide Geologiques Regionaux. - Masson, Paris.

Kilian, W. (1907-1913) : Das Mesozoikum. 3.Band: Kreide. Erste Abteilung: Unterkreide (Palaeocretacium). 13 Fossiltafeln. in: Lethaea geognostica.

Loga, S.v. (1982) : Fossilien sammeln in den Schichten des Gargasiums in der Provence. - Der  Aufschluß, 33, S.281-284 - Heidelberg.

Moosleitner, G. (2002) : Fossilien sammeln in Südfrankreich. Fundstellen in den Causes und der Provence. – Goldschneck-Verlag, Korb.

Moullade, M. (1965) : Revision des stratotypes de l´Aptien : 2.Etage : Gargas (Vaucluse). Coll. cretacé inferieur. – Memoir BRGM 34

Moullade, M. (1980) : Gargasien - in: C.Cavelier & J.Roger (eds.) Les etages francais et leur Stratotypes. - Memoirs BRGM 109

Parc Naturel Régional du Luberon (2003). – Ein Führer zu Landschaft, Natur, Kultur, Geologie, Paläontologie, Flora und Fauna. – Guides Gallimard, Paris.

Richter, A.E. (1979) : Fossilien sammeln in Südfrankreich. – Franckh-Verlag, Stuttgart.

Roche (Ed.) (1971) : Geologie du pays d´Apt. – 80 pp. – Memoir du BRGM, Orleans.


Karten

Institut Geographique National : Carte de France 1:25.000

Carte geologique de la France 1 : 250.000 Feuille 39 Marseille
Carte geologqiue de la France 1 :80.000 Feuille 223 Forcalquier
Carte geologique de la France 1 :50.000 Feuilles
• 967 Cavallion,
• 968 Reillanne,
• 969 Mansosque,
• 941 Carpentras,
• 942 Sault,
• 943 Forcalquier


BRGM editions (1998) : Decouverte Geologique du Luberon. Guide et Carte geologique 1 :100.000. Plateau de Vaucluse, Grand Luberon, Pay d´Aigues, Plateau de Clapaedes, Canyon d´Opedette, Petit Luberon, Massif des Ocres, Bassin d´Apt, Durance, Bassin de Manosque, Forcalquiers. – 1 geologischer Führer mit 180 Seiten, Farbfotos und Kartenskizzen, 1 geologische Karte 1 :100.000. – Orleans.

Dieser Beitrag wird in den nächsten 2-3 Wochen um weitere Fossilfotos ergänzt.
Wegen Renovierungsarbeiten kann ich derzeit nicht an die entsprechenden Schubladen heran und keine Fotos machen.


Alle Fotos : Sven von Loga
Alle Fossilien : Sammlung Sven von Loga