Großbritannien

Auf Fossiliensuche in East Sussex – Funde aus dem Cliff End Bonebed von Pett Level Beach

In diesem Bericht möchte ich eine interessante Fundstelle im Südosten Großbritanniens vorstellen, den Strand von Pett Level. Diese Lokalität bietet hervorragende Fundmöglichkeiten für Fossilien von nichtmarinen Vertebraten aus der Wadhurst Clay Formation (Valanginium, Unterkreide).

 

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Das Kliff von Pett Level Beach bei Niedrigwasser

 

Die kleine Gemeinde Pett liegt in der Grafschaft East Sussex in Südengland, etwa eine Autostunde von Dover entfernt. Die Ortschaft Pett Level, deren an der Küste gelegener Teil auch als Cliff End bezeichnet wird, liegt direkt der Küste der Rye Bay am Ärmelkanal. Von hier zieht sich ein markantes Sandsteinkliff entlang der Küste bis zur etwa fünf Meilen südwestlich gelegenen Stadt Hastings.

Der Strand von Pett Level ist für einen Besuch mit kleinen Kindern sehr gut geeignet. Souvenirshops, "Fish and Chips" und die obligatorische Spielhalle sucht man hier vergeblich. Der Strand ist touristisch kaum erschlossen und bietet neben viel frischem Wind und einer Menge Steine vor allem eines – Ruhe.

Der perfekte Platz für einen entspannten Familienausflug und natürlich zum Fossilien sammeln.

 

Anfahrt und Parkmöglichkeiten

Wenn man aus südöstlicher Richtung auf der Pett Level Road nach Pett Level hinein fährt, kommt man nach wenigen hundert Metern an den Pub „Smugglers Inn“. Von dort führt ein kleiner Weg auf die Promenade des Strandes. Es bestehen allerdings nur begrenzte Parkmöglichkeiten.

Einige 100 Meter weiter die Straße hinauf gibt es hinter dem „New Beach Club“ mehrere Parkplätze. Hier kann man rechts am Straßenrand direkt am Deich parken oder man macht von einer der zahlreich vorhandenen Parkmöglichkeiten auf der gegenüberliegenden Straßenseite Gebrauch.

 

Beschreibung der Lokalität

Oben am Strand angelangt, ist das imposante Kliff nicht zu übersehen. Die Promenade führt einen bis direkt an den Fuß der Klippen.

Die hier anstehenden Gesteinsschichten gehören zum Cliff End Sandstone, einer Einheit der Wadhurst Clay Formation. Diese Formation ist ein Teil der Hastings Beds, ihr Alter entspricht dem oberen Valanginium (Unterkreide). Die Sandsteine der Wadhurst Clay Formation sind stratigrafisch die jüngsten Gesteine des Kliffs zwischen Pett Level und Fairlight Cove.

Es empfiehlt sich, den Strand bei Ebbe zu besuchen; entsprechende Tidenpläne findet man z. B. im Internet. Das Kliff ist nach den Satuten des SSSI (Site of Special Scientific Interest) unter besonderen Schutz gestellt. Es ist also nicht gestattet im Anstehenden Gestein nach Fossilien zu schürfen.

Das Sammeln von Fossilien direkt unterhalb des Kliffs ist wegen möglicher Kliffstürze lebensgefährlich, darum sollte man immer auf einen ausreichenden Sicherheitsabstand achten. Auch ein Helm und festes Schuhwerk sind sehr zu empfehlen, die Gesteinsbrocken im Brandungsbereich sind zum Teil sehr glitschig.

Eine kleine geologische Besonderheit an dieser Lokalität ist der versunkene Wald von Pett Level.

Es handelt sich hierbei um eine ausgedehnte Waldfläche, die durch Transgression im Laufe der Jahrhunderte vom Meer überflutet wurde. Die Stämme und Wurzeln liegen in situ überall verteilt im Watt und laden zu einem kleinen Waldspaziergang ein. Das Alter der Hölzer lässt sich durch Radiokarbondatierung auf das frühe Neolithikum eingrenzen, etwa 5200 Jahre v. Chr.

Das vermodernde Holz bietet zahlreichen Organismen wie z. B. Bohrmuscheln einen idealen Lebensraum, es ist deshalb strikt untersagt, Holzreste auszugraben und mitzunehmen.

 

 

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Der versunkene Wald von Pett Level, ein Relikt aus dem frühen Neolithikum.

 

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Die Stämme liegen überall in situ im Watt verteilt.

 

Fundmöglichkeiten

Die Lokalität ist berühmt für ihre nichtmarine Fauna und Flora aus der Unterkreide.

Bekannte Fossilien aus der Wadhurst Clay Formation sind neben Pflanzenresten vor allem Knochen und Zähne von Iguanodonten, Krokodilen und Schildkröten, Reste von Flugsauriern sowie Zähne und Schuppen von Fischen.

Eine kleine Ausstellung mit Fossilien aus Pett Level ist im Shipwreck-Museum in Hastings zu bewundern; leider habe ich es versäumt dort Fotos zu machen.

Der Strand von Pett Level ist mit abgerolltem Flint bedeckt, der aus den anliegenden Kreidesedimenten ausgewaschen wurde. Die Fossiliensuche in den Flintkiesen ist wenig ergiebig. Zwar gibt es auch hier Fossilien zu finden, doch sind diese meist nur fragmentarisch erhalten und stark abgerollt.

Die zahlreichen Larvikit-Gerölle, die sich überall am Strand auflesen lassen, sind Teile der zum Schutz des Kliffs abgekippten Strandbefestigung.

 

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Abdruck eines regulären Seeigels im Flint. Solche Fossilien finden sich relativ häufig.

 

Sehr viel interessanter sind die zahlreich am Strand liegenden Sandsteingerölle. Diese stammen vom angrenzenden Kliff und sind zum Teil sehr fossilreich. Besonders häufig sind kleine Muscheln, Spurenfossilien oder auch Pflanzenreste.

 

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Handstück mit inkohlten Pflanzenresten, aufgelesen aus dem Strandkies. Das Geröll hat eine Länge von 14 cm

 

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Abgerolltes Stammstück eines unbestimmten Holzes. Das Stück ist etwa 10 cm lang und misst ca. 8 cm im Durchmesser.

 

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Aufgeschlagenes Handstück mit zahlreichen Bivalvenschalen, überwiegend Neomiodon sp. Das Geröll hat eine Länge von etwa 16 cm.

 

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Handstück mit Grabspuren, möglicherweise Beaconites. Die Breite des Handstücks beträgt etwa 18 cm.

 

Die besten Fundmöglichkeiten bieten Brocken aus dem sogenannten Cliff End Bonebed.

Es handelt sich hierbei um die fossilen Ablagerungen eines Kanals oder Flusses, in dem zahlreiche Mikrovertebratenreste transportiert und eingebettet wurden. Das Bonebed steht in Linsen im oberen Bereich des Kliffs an, vereinzelte Stücke davon lassen sich im gesamten Bereich vor dem Kliff auflesen. Bei Sammlern ist das Bonebed wegen seiner Fossilhöffigkeit sehr beliebt; man muss schon ein bisschen suchen, um ein paar Brocken davon zu finden.

 

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Handstück aus dem Cliff End Bonebed. Das Bild zeigt einen Ausschnitt von etwa 8 cm Breite.

 

Das Gestein hat eine schmutziggraue Farbe und besteht fast ausschließlich aus schlecht abgerollten Quarzkristallen, teilweise sind größere Sideritkonkretionen mit eingebettet. Vertebratenreste sind aufgrund ihrer tiefschwarzen Farbe schon mit bloßem Auge gut zu erkennen. Am häufigsten sind isolierte Zähne und Schuppen von Schmelzschupper-Fischen (Scheenstia sp.), Zähne von hybodonten Haien und kleine Knochenfragmente. Letztere sind durch den Transport im Fluss häufig stark abgerollt und nur schwer zu bestimmen. Seltener sind Knochen und Zähne von Reptilien, wie z. B. Schildkröten, kleinen Krokodilen und auch Flugsauriern.

Eine besondere Rarität sind Funde von Säugerzähnen; das Cliff End Bonebed ist beispielsweise die Typlokalität des ausgestorbenen Säugers Loxaulax valdensis (WOODWARD 1911).

Bisher wurden lediglich etwa fünfzehn Zähne von vier verschiedenen Säugetierarten in dem Bonebed gefunden.

 

Das Herauslösen der filigranen Fossilien aus der Matrix gestaltet sich gar nicht so einfach.

In der Literatur wird empfohlen, das Gestein in verdünnte Essig- bzw. Ameisensäure zu legen, um den kalkigen Zement zwischen den Quarzkörnern aufzulösen.

Ich habe zum Test einige Brocken nach dieser Methode behandelt, von dem Ergebnis bin ich allerdings wenig überzeugt. Der Zement lässt sich sehr gut lösen, dennoch bleibt das Gestein erstaunlich kompakt. Die Quarzkörner sind derart ineinander verkeilt, dass sich die Fossilien nur mit entsprechendem Kraftaufwand und einer Nadel heraus pulen lassen.

Leider sind die Fossilien, insbesondere die Zähne, von zahlreichen Mikrorissen durchzogen und zerbröseln nach der Behandlung mit Säure zu einem unschönen Trümmerhaufen, lediglich die Kugelzähne zeigen sich von der Säurebehandlung wenig beeindruckt.

Die beste Methode ist es, die Brocken bis auf etwa Haselnussgröße mit dem Hammer aufzuklopfen und nach jedem Schlag zu untersuchen. Auf diese Weise kommt es zwar auch zwangsläufig zu Verlusten, aber die Chance einen halbwegs kompletten Hybodus-Zahn bergen zu können, sind sehr viel höher.

 

 

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Einzelner Kugelzahn von Scheenstia sp. - solche Zähne sind die häufigsten Fossilien im Cliff End Bonebed. Der Durchmesser des Zahns beträgt ca. 2,8 mm.

 

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Isolierter Zahn von einem Süßwasserhai Hybodus sp. Das Zähnchen hat eine Breite von ca. 4,1 mm.

 

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Ein größerer Zahn von Hybodus sp. Dieses Stück wurde beim Aufschlagen des Gesteins leider arg beschädigt. Die Breite des Fossils beträgt etwa 13,5 mm.

 

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Kleiner, unbestimmter Zahn mit einer Höhe von ca. 4,7 mm. Möglicherweise stammt der Zahn von einem Krokodil.

 

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Einer der etwas selteneren Funde im Cliff End Bonebed; ein isolierter Zahn von einem Flugsaurier. Möglicherweise handelt es sich um Coloborhynchus clavirostris Owen, 1874b. Das Zähnchen ist etwa 9,4 mm lang.

 

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Kompletter, aus der Matrix gelöster Hybodus-Zahn. Das Stück ist ca. 6 mm breit.

 

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Isolierte Kugelzähne von Scheenstia sp. Die größten Exemplare messen etwa 3 mm im Durchmesser.

 

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Kleiner, unbestimmter Zahn. Das Stück ist ca. 3 mm hoch.

 

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Fragmente von Hybodus-Zähnen. Der Größte ist etwa 3 mm lang.

 

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Abgerollte Schuppen und Knochenfragmente, leider völlig unbestimmbar.

 

Der Strand von Pett Level ist wegen seiner beeindruckenden Kulisse, seiner Naturbelassenheit und Ruhe und nicht zuletzt wegen seiner Fossilien, ein lohnendes Ziel für einen Ausflug. Die Gezeiten sorgen für ständigen Nachschub an frischem Material.

Man sollte vielleicht nicht mit den allergrößten Erwartungen dorthin fahren, da die Fossilien von dort meist eher klein und unscheinbar sind. Ein Fund wie z. B. ein kleiner, selbst gefundener Flugsaurierzahn für die eigene Sammlung ist aber ein einzigartiges und tolles Souvenir.

Wer weitere Informationen über die Fundstellen Pett Level und Fairlight sucht, der findet im Internet allerhand Informationen dazu. Ein paar Beispiele sind nachstehend angeführt:

 

UK Fossil Collecting: Fairlight: https://ukfossils.co.uk/2012/01/24/fairlight/

 

Discovering Fossils: Fairlight (East Sussex: http://www.discoveringfossils.co.uk/fairlight_fossils.htm

 

BBC News: 'Little known' about ancient Pett Level sunken forest: http://www.bbc.com/news/uk-england-sussex-23684120

 

Des Weiteren möchte ich die kleine aber feine Ausstellung im Shipwreck Museum in Hastings empfehlen. Dort kann man im Museumsshop auch ein kleines, informatives Büchlein erwerben:

Ken Brooks : Geology and Fossils of the Hastings Area (ISBN 978-0-9540513-3-4)

Online findet man das Buch hier: http://www.ohps.org.uk/products-page/product-ohps/ohps-books/geology-and-fossils-of-the-hastings-area-by-ken-brooks/

 

Beste Grüße,

Nils Jung