Sonderausstellung „Nusplingen“ am Jura-Museum Eichstätt

Vorwort
In diesem Artikel wird über die Sonderausstellung „Nusplingen“ am Jura-Museum Eichstätt berichtet. Die Ausstellung ist seit dem 30. März und noch bis 17. September 2017 auf der Willibaldsburg zu sehen. Auch im Naturkundemuseum Stuttgart soll sie gezeigt werden, es steht aber noch kein Datum fest.

Als Kurator dieser Ausstellung steht mir ein wertendes Urteil nicht zu. Da ich aber denke, dass die Ausstellung bei den Steinkern-Leserinnen und -Lesern auf Interesse stoßen könnte, bemühe ich mich, so objektiv, wie es mir möglich ist, an dieser Stelle über sie zu berichten. Leider läuft die Ausstellung nur noch bis zum 17. September 2017 und ich weiß, ich bin sehr spät dran mit meinem Bericht. Familiäre Herausforderungen und Probleme haben mich abgehalten, den Artikel frühzeitiger zu verfassen.

 

Sonderausstellung "Nusplingen" am Jura-Museum Eichstätt
Die Solnhofener Plattenkalke aus dem Oberjura Bayerns sind in Fachkreisen derart bekannt, dass sie kaum einer weiteren Erläuterung bedürfen. Weniger bekannt ist, dass es auch auf der Schwäbischen Alb in Baden-Württemberg nahezu gleichalte Plattenkalk-Vorkommen gibt. Von diesen führen nur der Steinbruch der Gemeinde Nusplingen und der nur 300 m davon entfernt gelegene Steinbruch Egesheim Fossilien. Diese sind aber relativ häufig und derart gut erhalten, dass sie den Vergleich mit den Funden aus dem Altmühltal nicht zu scheuen brauchen.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde, zunächst gewerbsmäßig, nach Fossilien gegraben. Die Firma Mineralogisches und Palaeontologisches Komptoir B. STÜRTZ förderte dort einige Jahre Fossilien, unter anderem kam dabei das Krokodil Cricosaurus (ehem. Geosaurus) suevicus zutage, das heute im Naturkundemuseum Stuttgart zu sehen ist. Dieses Unternehmen wurde später vom Mineralienkontor Krantz übernommen, in dessen Magazin noch heute eine Sammlung Nusplinger Fossilien liegt.
In den folgenden Jahren fanden immer wieder Forschungsgrabungen statt, allerdings ohne bemerkenswertem Erfolg und so gerieten die Steinbrüche Nusplingen und Egesheim immer wieder in Vergessenheit. Doch seit 1993 betreibt das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart in Nusplingen durchgehend eine Forschungsgrabung. Unter Leitung der Stuttgarter Paläontologen Dr. Dietl und Dr. Schweigert werden seitdem jährlich hervorragend erhaltene Stücke geborgen.
Nach nun 25 Jahren Grabungsgeschichte präsentiert das Jura-Museum Eichstätt zusammen mit dem Stuttgarter Naturkundemuseum die Fossilien auf einer Sonderausstellung.

 

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Abb. 1: Banner zur Sonderausstellung Nusplingen.

 

Die Nusplinger Plattenkalke sind etwa 500.000 Jahre älter als die Solnhofener Plattenkalke. Stratigraphisch entsprechen sie der Ulmense-Zone des Ober-Kimmeridgiums. Mehrere Exemplare des Leitfossils Lithacoceras ulmense erlauben es, die Schichten stratigraphisch in die Ulmense-Zone einzuordnen.

 

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Abb. 2: Die Leitfossilien Lithacoceras ulmense und Aspidoceras catalaunicum gemeinsam auf einer Platte.

 

Seit 1993 gräbt das Stuttgarter Naturkundemuseum horizontiert in den Schichten. Es wird praktisch jedes Fossil aufgenommen, vom Koprolithen bis zum Flugsaurier, denn erst dadurch sind ökologische Aussagen machbar.

 

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Abb. 3: Tintenfisch Plesiotheutis prisca mit Mageninhalt: Fischschuppen.

 

Anfangs wurde die Fauna Nusplingens mit der von Solnhofen gleichgesetzt. Tatsächlich gibt es klare Unterschiede auf Art- und Gattungsniveau ebenso wie in der quantitativen Zusammensetzung. Die Beschreibung neuer Arten erfolgt in Kooperation mit Wissenschaftlern verschiedener Einrichtungen. So werden die Knochenfische von Nusplingen derzeit am Jura-Museum Eichstätt durch Martin Ebert beschrieben.

 

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Abb. 4: Unbeschriebener Knochenfisch.

 

Die Feinuntersuchung der Fossilien erfolgt, ebenso wie in den Solnhofener Plattenkalken, oft mit UV-Licht. Dadurch werden die Calcit-Kristalle zum Leuchten angeregt. Insbesondere die feinen Strukturen der Krebse werden so deutlich. Am Jura-Museum wurde dazu eine dunkle Box aufgestellt, in der die Fossilien mit Schwarzlicht angeleuchtet werden. Leider kann der Vorhang zur Box nicht vollkommen lichtdicht verschlossen werden, da sonst insbesondere jüngere Besucher der Ausstellung dazu neigen, zu viel Quatsch zu machen.

 

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Abb. 5: Dusa monocera unter ultraviolettem Licht.

 

Die Entstehung der Plattenkalke wird mit der Wannen-Theorie erklärt. Demnach lagerte sich Kalkschlamm in einem Stillwasser- oder Lagunenbereich ab, der von Schwammriffen umsäumt wurde. Der zentrale Lagunenbereich war sauerstoffarm und verwehrte so Aas- und Detritusfressern die Lebensbedingungen. So erklärt sich die hervorragende Erhaltung der im Plattenkalk überlieferten Fossilien.

 

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Abb. 6: Verschiedene Schwämme.

 

Die meisten Organismen lebten in der Wassersäule oder wurden in das Gebiet eingespült. Das gilt insbesondere für die Bewohner naher Inseln. Die landgebundenen Tiere, die bisher geborgen wurden, sind alle flugfähig. Darunter befinden sich auch drei Flugsaurier, von denen in der Ausstellung der Holotypus von Rhamphorhynchus nusplingiensis als Abguss (einzige Nachbildung in der Ausstellung) zu sehen ist. Daneben wurde eine sehr kleine Feder gefunden, die als weltweit älteste Feder gilt. Ob sie von Archaeopteryx oder einem anderen, möglicherweise flugunfähigen Dinosaurier stammt, ist nicht klar.

 

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Abb. 7: Sehr klein aber bedeutend: Die älteste Feder der Welt.

 

Die Pflanzenfunde sind so gut erhalten, dass die Stomata, die Blattöffnungen an der Unterseite der Blätter, mikroskopisch nachgewiesen werden können. Ihre Anzahl und Lage legt nahe, dass das Klima tropisch und arid war. Reste von Treibholz wurden auch gefunden, allerdings ohne Bewuchs.

 

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Abb. 8: Cycadopteris jurensis. Größere Ansicht anzeigen.

 

Unter den wirbellosen Tieren sind Krebse relativ häufig. Insbesondere Antrimpos undenarius ist anhand vieler Fundstücke nachgewiesen. Viele Funde sind Häutungsreste und können so eine falsche Vorstellung von der Quantität der Krebse geben.

 

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Abb. 9: Aeger tipularius unter UV-Licht.

 

Alle Cephalopoden-Gruppen des Oberen Jura sind mit einer oder mehreren Arten vertreten. Funde mit Weichteilerhaltung, Mageninhalt oder besonderen anatomischen Details sind für die Forschung sehr wichtig.

 

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Abb. 10: Kompletter Oberkiefer eines Ammoniten.

 

Besonders spannend sind Funde von Spuren. Sie berichten von konkreten Begebenheiten, sozusagen Geschichten, die sich vor Jahrmillionen ereignet haben. Besonders beeindruckend ist ein Fossil des Fisches Furo. Von einem Beutegreifer in die Seite gebissen, sank das Tier sterbend auf den Meeresgrund. Dort schlug der Fisch noch ein paar Mal in den Schlamm und starb darauf. Im Streiflicht sind diese Spuren deutlich zu sehen.

 

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Abb. 11: Furo sp. mit deutlicher Todesspur. Größere Ansicht anzeigen.

 


Unter den großen Prädatoren finden sich Haie und verschiedene Krokodile. Der größte nachgewiesene Fleischfresser, Dakosaurus, ist bisher nur durch Zähne belegt. Ein mutmaßllicher Fraßrest, Kopf und Rumpf eines zwei Meter langen Cricosaurus suevicus, befindet sich in der Dauerausstellung am Stuttgarter Museum am Löwentor.
Häufiger dagegen lässt sich der Hai Sphenodus nitidus nachweisen. Normalerweise zerfallen Knorpelfische im Zuge der Verwesung vollständig, sodass nur die isolierten Zähne gefunden werden. Umso überraschender war der unerwartete Fund eines kompletten Tieres.

 

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Abb. 12: Kompletter Schädel von Sphenodus nitidus. Größere Ansicht anzeigen.

 

Engelhaie der Art Pseudorhina acanthoderma sind in den Solnhofener Plattenkalken absolute Raritäten. In Nusplingen dagegen wurden weit über 20 Exemplare, die meisten davon vollständig, geborgen. Ihre nächsten Verwandten, die heutigen Meerengel der Gattung Squatina, besitzen einen sehr ähnlichen Körperbau, weshalb man für Pseudorhina ebenfalls eine Lebensweise als Lauerjäger vermutet. Sie erinnern daher an Rochen, die einen ähnlichen Körperbau aufweisen. Allerdings sind sie mit diesen nicht näher verwandt.

 

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Abb. 13: Vitrinen in der Ausstellung. Links zwei komplette Exemplare von Pseudorhina acanthoderma, rechts oben Tharsis, darunter ein noch unbeschriebener Schmelzschupper.

 

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Abb. 14: Pseudorhina acanthoderma, komplett.

 

Weitere Informationen zur Sonderausstellung und zum Museum unter http://www.jura-museum.de

 

Fotos und Bericht: Andreas Hecker